201 Lieber Dr. von Koerber! Ich habe die Regierung am heutigen Tage übernommen und be¬ Sie und die übrigen Mitglieder des österreichischen Ministeriums in stätige Stellungen. Zugleich beauftrage Ich Sie, die beigeschlossene Proklama¬ Ihren tion an Meine Völker zu verlautbaren. Wien, 21. November 1916. Koerber m. p. Karl m. p. An meine Völker! Tiefbewegt und erschüttert stehen Ich und Mein Haus, stehen Meine Völker an der Bahre des edlen Herrschers, dessen Händen durch nahezu treuen sieben Jahrzehnte die Geschicke der Monarchie anvertraut waren. Durch die Gnade des Allmächtigen, die Ihn in frühen Jünglingsjahren auf den Thron berusen hatte, ward Ihm auch die Kraft verliehen, unbeirrt und ungebrochen durch schwerstes menschliches Leid, bis ins hohe Greisenalter nur zu den Pflichten zu leben, die Sein hehres Herrscheramt und die heiße Liebe Seinen Völkern Ihm vorschrieben. Seine Weisheit, Einsicht und väterliche Fürsorge haben die dauernden Grundlagen friedlichen Zusammenlebens und freier Entwicklung geschaffen und schweren Wirren und Gefahren, durch böse und durch gute Tage Oesterreich¬ aus Ungarn durch eine lange und gesegnete Zeit des Friedens auf die Höhe der geführt, auf der es heute im Verein mit treuen Verbündeten den Kampf Macht Feinde ringsherum besteht. gegen Sein Werk gilt es fortzusetzen und zu vollenden. Thron In sturmbewegter Zeit besteige Ich den ehrwürdigen Meiner Vorfahren, den Mein erlauchter Ohm Mir in unvermindertem Glanze hinterläßt. Noch ist das Ziel nicht erreicht, noch ist der Wahn der Feinde nicht gebrochen, die meinen, in fortgesetztem Ansturme Meine Monarchie ihre Verbündeten niederringen, ja zertrümmern zu können. und Ich weiß Mich eins mit Meinen Völkern in dem unbeugsamen Entschlusse, Friede errungen ist, 200 der Kampf durchzukämpfen, bis den den Bestand Meiner Monarchie sichert und die festen Grundlagen ihrer un¬ der gestörten Entwicklung verbürgt. In stolzer Zuversicht vertraue Ich darauf, daß Meine heldenmütige Wehrmacht, gestützt auf die aufopfernde Vaterlandsliebe Meiner Völker und in Heeren auch weiterhin alle An¬ treuer Waffenbrüderschaft mit den verbündeten siegrei¬ abwehren und den griffe der Feinde mit Gottes gnädigem Beistand chen Abschluß des Krieges herbeiführen wird. Ebenso unerschütterlich ist Mein Vertrauen, daß Meine Monarchie, deren Gefahr neubesiegelten untrenn¬ Machtstellung in der altverbrieften, Not und baren Schicksalsgemeinschaft ihrer beiden Staaten wurzelt, nach innen und außen gestählt und gekräftigt aus dem Kriege hervorgehen wird, daß Meine Völker, die sich, getragen von dem Gedanken der Zusammengehörigkeit und von tiefer Vater¬ opferfreudiger Entschlossenheit zur Ab¬ landsliebe, heute mit wehr der äußeren Feinde vereinen, auch zum Werke der friedlichen Erneuerung und Verjüngung zusammenwirken werden, um die beiden Staaten der Monarchie mit den angegliederten Ländern Bosnien und Herzego¬ wina einer Zeit der inneren Blüte, des Aufschwunges und der Erstarkung zuzu¬ führen. Indem Ich des Himmels Gnade und Segen auf Mich und Mein Haus, wie auf Meine geliebten Völker herabflehe, gelobe Ich vor dem Allmächtigen, das Gut, das Meine Ahnen Mir hinterlassen haben, getreulich zu verwalten. will alles tun, um die Schrecknisse und Opfer des Krieges Ich in ehester Frist zu bannen, die schwervermißten Segnungen des Frie¬ dens Meinen Völkern zurückzugewinnen, sobald es die Ehre unserer Waffen, die Lebensbedingungen Meiner Staaten und ihrer treuen Verbündeten und der Trotz unserer Feinde gestatten werden.
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