Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

158 Der Verschönerungs=Verein pflanzt am Wege nach Neulust und um die dortigen Felder 73 Birnbäume. Am 9. Mai wurde zum erstenmale mit dem vom hiesigen Glockengießer Joh. Mich. Peteler gegossenen Zügenglöck¬ lein geläutet, indem das frühere, im 17. Jahrhundert von Baron Riesenfels gestiftete Glöcklein bei dem Turmbrande am 8. Jänner zerschmolzen war. Vom 29. Mai bis 3. Juni wurden auf unserer bereits recht hübschen Pro¬ menade die aus Wien angekauften zierlichen 25 Sitzbänke mit eisernen Ge¬ stellen befestigt. Am 15. Frohnleichnamspro¬ zession in der Stadt trüb, nachmittags sehr schön, am 18. in der Vorstadt¬ pfarre ebenfalls bei schönem Wetter vom Bischofe abgehalten. Am Peter= und Paulstage den 29. firmte derselbe in der Stadtpfarrkirche 1200 Firmlinge und abends 6 Uhr nach einem heftigen Ge¬ witter weihte derselbe die auf Kosten vermöglicher Frauen im heurigen Früh¬ linge erbaute Maria=Loretto¬ Kapelle neben der Kirche zu Christ¬ kindl ein. Die revidierten Wählerlisten zur Wahl des neuen Gemeinderates sind von der k. k. Statthalterei noch immer nicht zurückgelangt und besorgt einstweilen die städtische Amtierung der bisherige Bür¬ germeister Herr Moriz Crammer, Hotel¬ besitzer, als k. k. Kommissär. Uebrigens geht die Hetze zwischen unseren zwei Stadtzeitungen ungeschwächt fort und fällt die Hauptschuld an diesem sehr unerquicklichen Zustande auf die Geistlichkeit. Die Interims=Stadtregierung durch den kaiserlichen Kommissär und die Lästerungen in der von den Vorstadt¬ kaplänen redigierten „Steyrer Zeitung“ dauerten durch den ganzen Monat Juli fort. Am 17. Juli nachmittags 1 Uhr ziemlich heftiges durch 2 Sekunden dauerndes Erdbeben in Steyr sowie in ganz Ober= und Niederösterreich. Bei der Waffenfabrik, welche wieder bedeutende Bestellungen aus Preußen und Frankreich erhaltem hat, sollen anstatt der in letzterer Zeit entlassenen Arbeiter, wieder bei 1000 neu aufgenommen werden. Herr Jos. Werndl baut auch auf der Vogelsanginsel wieder 4 Häuser mit oberen Stockwerken. Am 19., 21. und 23. August waren die Wahlen für den am 7. Juni auf¬ gelösten Gemeinderat und da dies¬ mal nicht blos die klerikale Partei, sondern auch die liberale, aufgerüttelt durch den schlechten Erfolg bei den März¬ wahlen und in Besorgnis um das Re¬ nommee der Stadt, große Tätigkeit ent¬ wickelte, sind sogar 1206 Wähler, also mehr als ¾ aller Wahlberechtigten er¬ schienen und sämtliche vom liberalen Komitee aufgestellten Kandidaten mit großer Majorität gewählt worden, da¬ runter Herr Josef Werndl schon vom 3. Wahlkörper fast einstimmig. Die klerikale Partei, welche alle Versöhnungs¬ versuche der Liberalen schnöde zurückge¬ wiesen hatte, konnte nicht einmal den Bürgerkorps=Kommandanten Hauptmann und Wirt Bichler durchsetzen. Am 30. August Durchreise Ihrer Majestät der Kaiserin per Bahn bei strömendem Regen im strengsten In¬ kognito. Die ersten Tage des Septembers waren so ziemlich schön; aber vom 7. an, wo unsere landwirtschaftliche und gewerbliche Ausstellung mit Volksfest begann, gab es leider fast täglich mehr oder weniger Regen mit kalten Winden und dauerte dieses ab¬ scheuliche Wetter bis zum Ende. Die landwirtschaftliche Ausstellung und das Volksfest fanden auf dem von Herrn Josef Werndl unentgeltlich über¬ lassenen großem Felde oberhalb der Promenadequerstraße und die gewerbliche in den Turn= und Zeichnungssälen des neuen Schulgebäudes statt und beide dauerten 5 Tage, vom Donnerstag den 7. bis Montag den 11. September. Un¬ geachtet des sehr schlechten Wetters

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