Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

425 O 8 Der Schustermichel. Eine blockensage von Doktor heinrich Penn. sein Haupt zur Ruhe zu legen. Michel, so hieß der Schuster, nahm den Frem¬ #. duece, die in der weiten Beine den, der ihm durchaus vertrauenswür¬ grubenkirche in Wien täglich nachmittags dig erschien, gerne auf, da er eben ein zum Segen läutet, wie sie's seit Jahr nettes, leeres Stübchen besaß und den und Tag schon in der alten getan, heißt Zuschuß der Miete zu seinem Verdienste der „Schustermichel“. Das haben die Be¬ sehr wohl brauchen konnte. wohner des alten „Katzenstadls“ alle ge¬ So blieb denn der Fremde durch wußt, aber seit diese interessante Gegend mehrere Wochen Mietsmann Meister vom Wiener Erdboden verschwunden ist Michels, wohnte jeden Morgen einer werden die Leute immer weniger, denen Messe in der Kirche seines Namens¬ der sonderbare Glockenname bekannt ist. patrons bei — Josef hieß er nähmlich Und so wollen wir's denn erzählen, wa¬ und ging dann seinen Geschäftenin rum die Glocke diesen drolligen Namen der Stadt nach. führt. Die Geschichte begab sich nämlich Endlich war er damit zu Ende gekom¬ folgendermaßen: men. Es war gerade Palmsonntag. Er Ganz nahe an der Kirche zu St. Josef schnürte seinen Ranzen zur Abreise, lebte vor einigen hundert Jahren ein zahlte seinem Wirt die Herberge und ein ehrsamer Handwerker, seines Zeichens nahm Urlaub von ihm. Bevor er ihn Schuster, ein ganz wackerer Mann, der jedoch verließ, händigte er ihm noch nur gar zu gerne in's Glas guckte, vor¬ einen stattlichen Lederbeutel ein, in dem ausgesetzt, daß sich ein guter Tropfen sich eine gar ansehnliche Anzahl blanker darin befand, in welchem Falle er dann Kremnitzer Dukaten befand. nicht eher ruhte, bis er denselben unter Dach und Fach gebracht, das heißt, durch „Meister,“ sagte er, „diese Gold¬ seine Gurgel gejagt hatte, vielleicht um füchse vertraue ich eurer Redlichkeit. durch die fleißige Aufnahme von Feuch¬ Die kriegerischen, unruhigen Zeiten, die tigkeiten die Wasserdichte seiner von ihm überall herrschende Unsicherheit bieten fabrizierten Stiefel zu erproben. mir keine genügende Gewähr dafür, daß Zu diesem Braven kam eines Tages das Geld bei mir am besten aufgehoben ein respektabel aussehender Mann, der erscheint. Ich habe euch als redlichen erfahren hatte, daß unser Fußbeklei¬ Mann erkannt und übergebe euch daher dungskünstler ein paar gut eingerichtete getrost den Schatz. Verwahrt ihn gut. Stuben besaß, und fragte ihn, ob er Ich habe weite und gefährliche Wege während seines durch einige Wochen zu machen, aber binnen Jahresfrist will dauernden Aufenthaltes in Wien nicht ich alles abgewickelt haben und kehre bei ihm Quartier nehmen könnte, da er dann nach Wien zurück. Sollte dies je¬ es aus Gründen der Billigkeit und doch nicht der Fall sein, so wartet noch Sicherheit vorziehe, bei einem redlichen ein volles Jahr. Nach Ablauf desselben Bürgersmann statt in einem Gasthofe könnt ihr jedoch getrost annehmen, daß

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