Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

376 ziere des Bürgerkorps, Vertreter ver¬ schiedener Vereine, Genossenschaften usw., die barmherzigen Schwestern von Sankt Anna nebst den Pflegeschwestern vom neuen Krankenhause mit der ehrw. Ge¬ neraloberin aus Wien. Die Waisenkinder von St. Anna bildeten vor dem Ge¬ bäude Spalier, wo sich auch noch zahl¬ reiche andere Teilnehmer aus der Be¬ völkerung eingefunden hatten. Bürgermeister Gschaider eröffnete die Feier mit folgender Ansprache: Hochgeehrter Herr Statthalterei=Vize¬ präsident, Eure bischöfliche Gnaden, hoch¬ geehrter Herr Stellvertreter des Lan¬ desausschusses, hochansehnliche Festver¬ sammlung! Schon seit langen Zeiten war es das Bestreben der Menschen, ihren leidenden Zeitgenossen Hilfe in eigens hiezu er¬ richteten Anstalten zu leisten. Die äl¬ testen Einrichtung dieser Art findensich im dritten vorchristlichen Jahrhundert bei den Indern. Die Griechen und Römer kannten keine eigentlichen Krankenhäu¬ er; erst im fünften Jahrhundert ent¬ tanden geregelte militärische Pflege¬ tätten, welche zur Bestimmung hatten, kranken und verwundeten Legionsange¬ hörigen Heilung zu bringen. Das in der Kultur so weit zurückge¬ bliebene Mittelalter befaßte sich wohl mit Krankenpflege, doch gab es keine gesonderten Krankenanstalten, diese wa¬ ren vielmehr mit Asylen, Klöstern u. dergl. verbunden. Erst an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts tauchen eigentliche Krankenhäuser auf, die zu¬ nächst der Pflege der an den damals häufig wütenden Seuchen Erkrankten ge¬ widmet waren und sich allmählichzu Anstalten, die sich mit der Pflege von Kranken im allgemeinen befaßten, ent¬ wickelten. In diese Zeit, ins Jahr 1680, fällt die Errichtung des ersten Siechenhauses Steyr. Infolge der damals herrschenden Pest wurde der an der Stelle des St. Annaspitales gestandene Pautzenhof von einem Herrn von Riesenfels gekauft und in ein Siechenhaus verwandelt, das unter die Leitung des städtischen Chi¬ rurgen gestellt wurde. Im Verlaufe der Zeit wurde die allgemeine Krankenpflege eingeführt, über die sich jedoch infolge mangelhafter Leitung und unzureichen¬ der, ungeeigneter Räume bald viele Kla¬ gen erhoben, sodaß der Aufenthalt in dieser Anstalt zu den gefürchtesten ge¬ hörte. Wiederholt wurden Verbesse¬ rungsvorschläge gemacht und bauliche Veränderungen vorgenommen, verge¬ bens, der alte Plautzenhof ließ sich nicht in ein erträgliches Krankenhaus ver¬ wandeln. Erst durch eine durchgreifende Umge¬ staltung, die in den Jahren 1848 und 1849 mit einem Kostenaufwande von 15.000 Gulden durch den Priester namens Karl Aigner durchgeführt wur¬ de, brachte eine nennenswerte Bes¬ serung. Die Pflege wurde auf Grund des Vertrages vom 5. Juli 1849 dem Orden der Barherzigen Schwestern über¬ geben, die sich verpflichteten, wenigstens ünfzig Betten zu unterhalten und die Krankenpflege durch zehn Schwestern klaglos zu vollführen. In Betreff Auf¬ nahme und Pflege hatte der Orden freie Hand. Er erhielt für seine Leistungen eine jährliche Vergütung von 2200 Gul¬ den Konventionsmünze. So war die Krankenpflege in Steyr in für die da¬ malige Zeit befriedigender Weisege¬ regelt. Aber schon im Jahre 1863, als sich die Möglichkeit bot, vom Lande Ober¬ österreich Mittel zu Krankenzwecken zu erhalten, betonte ein Gutachten der da¬ maligen Aerzte Dr. Spängler und Dok¬ tor Krakowitzer die Unzulänglichkeit der Räume und Einrichtungen in St. Anna. Die Genannten schlugen die Inangriff¬ nahme eines Neubaues vor, der nach ihrer Ansicht entweder in der Schönau oder auf den Schlüsselhofgründen ent¬ stehen sollte. Es ist damals aus diesem Plane nichts geworden, da eine Anfrage beim Landesausschusse dahin beantwor¬ tet wurde, daß die in Frage stehenden Mittel zu Landeszwecken, und zwar zur Errichtung der Irrenanstalt Niedernhart, verwendet werden. Wiederholt befaßte sich seither der Ge¬ meinderat mit Verbesserungsvorschlägen, manche Aenderungen wurden auch durch¬ geführt, ohne daß dies alles ein mo¬ dernes Krankenhaus geschaffen hätte Das St. Annaspital hatte mittler¬ weile das Oeffentlichkeitsrecht erhalten und immer mehr rang sich die Erkennt¬ nis durch, nur ein vollständiger Neu¬ bau könne hier Wandel schaffen. Im Jahre 1900 bewilligte der Ge¬ meinderat eine Summe von 9000 Kr. als Grundstock für den Spitalbaufonds, doch wurde nichts weiter in der Sache unternommen, bis im Jahre 1903 Jo¬ hann Haratzmüller, der hochherzige chlichte Mann, letztwillig die Summe von 200.000 Kr. für den Neubau eines Krankenhauses bestimmte. Auch diese edle Widmung löste noch nicht die rechte Arbeitsfreudigkeit aus, man begnügte sich, von kleineren Spenden abgesehen,

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2