Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

308 Kreuz“ seine segensreiche, allgemein an¬ erkannte Tätigkeit entfaltet. Nun kam der ungeheure Welt= und Völkerkrieg. Alles, was völkerrechtliche Einrichtung hieß, wurde mißachtet, mit Füßen wurde das Recht getreten. Nur allein die Er¬ richtung des „Roten Kreuzes 00 fand Achtung und. Schutz, und nur unserem treulosen, früheren Verbündeten, den Italienern, war der traurige Ruhm be¬ chieden, auch diesen letzten Rest des Völ¬ kerrechtes durch Beschießung des mit dem „Roten Kreuz“ gedeckten Spitales in Görz und durch Torpedierung des gleich¬ falls deutlich mit dem „Roten Kreuz“ ge¬ kennzeichneten österreichischen Spitalschif¬ es durchbrochen zu haben. Der ausbre¬ chende Krieg fand das „Rote Kreuz“ wohlgerüstet. In langen Friedensjah¬ ren hatten die Vereine des „Roten Kreu¬ zes“, obwohl kein Krieg in Aussicht tand, doch fleißig gearbeitet, um für den traurigen Fall einesFriedensbruches tark und gerüstet zu sein. So setzte un¬ mittelbar nach Kriegsausbruch die segens¬ reiche Tätigkeit des Roten Kreuzes ein. Was hat es bisher alles geleistet, es würde zu weit führen, alle Verdienste dieser Einrichtung aufzuzählen. Esge nüge, die Errichtung von „Rote=Kreuz“ Spitälern, von Pflegestätten, die Beistel¬ lung von Sanitätszügen, die Verbesse¬ rung der Einrichtung von militärischen Spitälern sowie die Beistellung von Le¬ bens= und Pflegemitteln zur Linderung des Schicksales der Verwundeten zu er¬ wähnen. Großes leisteten die in emsiger Arbeit geschulten Pfleger und Pflegerin¬ nen vom „Roten Kreuz“, überall waren die weißen Armbinden mit dem roten Kreuz der Sanitätskolonnen und Sani¬ tätsabteilungen zu sehen. Die lange Dau¬ er des Krieges bringt es mit sich, daß auch das „Rote Kreuz“ an die Stärkung einer Mittel denken muß. Gleichwie die Staaten gezwungen sind, durch Ausgabe von Kriegsanleihen sich die Mittel zur Fortführung des Krieges zu verschaffen, o will das „Rote Kreuz“ durch Veran¬ staltung der Roten=Kreuz=Woche die nöti¬ gen Summen aufbringen, um seinese¬ gensreiche Tätigkeit auch weiterhin zum Heile der leidenden Vaterlandsverteidi¬ ger entfalten zu können. Ich bin über¬ zeugt, daß im ganzen Reiche die Bevöl¬ kerung das ihre tun wird, um das „Rote Kreuz“ mit reichen neuen Mitteln zu ver¬ sehen, und ich hoffe fest, daß unsere Stadt, deren Bevölkerung ja stets am Platze war, wenn es galt, Gutes zu tun, auch diesmal dafür sorgen wird, daß die Stadt Steyr auch in der Roten¬ Kreuz=Woche beispielgebend und muster¬ gültig ihre patriotische Pflicht gegen¬ über dem „Roten Kreuz“ erfüllen wird. So treten wir denn in die Rote=Kreuz¬ Woche ein. Bevor wir jedoch diese Ver¬ anstaltung eröffnen, lassen sie mich derer gedenken, die die obersten Schirmherren des „Roten Kreuzes“ sind: Se. Majestät unseres erhabenen Kaisers Franz Josef I. und seiner treuen Verbündeten des Deut¬ schen Kaisers Wilhelm II, des Königs Ferdinand von Bulgarien und des Sul¬ tans MehmedV. Ich fordere Sie auf, auf Se. Majestät und dessen treue Ver¬ bündeten ein dreifaches Hoch auszubrin¬ gen.“ Begeistert stimmten die Versam¬ melten in die Hochrufe ein, worauf die Musikkapelle die Oesterreichische und die Deutsche Volkshymne spielte. Darauf be¬ gann die Platzmusik der Bürgerkorpska¬ pelle unter der Leitung des Kapellmei¬ terstellvertreters Karmazin mit einer ehr gut gewählten Vortragsordnung wobei sich auf dem Stadtplatze eine leb¬ hafte Promenade entwickelte und die Verkäuferinnen des Roten Kreuzes ihre ganzen Vorräte an den Mann brachten. Abends fand der von den hiesigen Zweigvereinen des Roten Kreuzes ver¬ anstaltete „Heimatliche Abend“ im Ka¬ ino unter Mitwirkung der oberösterrei¬ chischen Schriftstellerin Susi Wallner und Steyrer Kunstkräfte, darunter einer An¬ zahl von Fräuleins statt, welcher bei ehr zahlreichem Besuche einen durchwegs ge¬ lungenen Verlauf nahm. Der Abschied, Dank und die Mahnung des Bezirkshauptmannes Dr. Edler von Kölbl, der mit diesem Tage Steyr ver¬ läßt, hatte eine große Wirkung. Er galt infolge seiner strengen, doch gerechten Amtspflichten im Amte anspornend und nimmermüde. Im Verkehre war er wei¬ test entgegenkommend hochgeachtet und beliebt. An die Landbevölkerung erließ er folgendes: „Infolge meiner Einbe¬ rufung als Referent zur k. k. o.=ö. Statt¬ halterie in Linz den mir liebgewordenen Bezirk Steyr=Land mit 1. Mai l. J. ver¬ lassend, drängt es mich, auch noch an dieser Stelle allen öffentlichen Funktio¬ nären des Bezirkes, insbesondere jenen Damen und Herren, von denen ich mich nicht persönlich verab schieden konnte, ein herzliches „Lebewohl“ zu sagen und ihnen für ihre bereitwillige und verständnis¬ volle Unterstützung den besten Dank auszusprechen. Meine Anerkennung und meinen Dank spreche ich aber auch der Bevölkerung aus, die sich — mit weni¬ gen Ausnahmen in patriotischem und christlichen Empfinden allen, in die Ge¬ wohnheiten des einzelnen oft tief ein¬ schneidenden, durch die Notwendigkeit der

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