222 um sich des lieblichen Anblickes zu freuen, der sich seinen Augen darbot. In einer Laube gebildet vom wilden Wein, dessen Blätter herbstlich in allen Farben schillerten, saß auf dem Bänk¬ chen Ritter Wigbert, ein wenig Monat altes Kind auf den Knien haltend und mit ihm spielend, während seine Frau Emma daneben stand, und sich bemühte, die oft etwas derben Liebkosungen, die Wigbert seinem Erstgebornen angedeihen ließ nach Kräften zu mildern. Ihr Blick und der Ausdruck des Glückes auf ihrem schönen Antlitze bewiesen recht deutlich, welche Freude ihr dieser Auftritt machte. Der Herzog trat endlich näher und mit leisem Aufschrei ob der Ueberra¬ chung, die sie durch das unerwartete Erscheinen des Fürsten empfand, ergriff die junge Frau das Kind und nahm es auf die Arme, während Wigbert freu¬ dig überrascht aufsprang, das Barett vom Haupte riß und mit ehrfurchts¬ voller Verbeugung den Herzog begrüßte. „Ei, ei, Herr Ritter,“ sagte dieser mit freundlichem Lächeln die stumme Begrüßung des jungen Ehepaares er¬ widernd, „wie ich sehe, habt ihr euch schnell in eurem neuen Dienst gefunden traun, edle Frau, dem braven Stück¬ meister von Leonstein hätt' ich solche Sanftmut gar nimmer zugetraut. „O, der edle Herr Rat und Zeug¬ wart ist nicht immer so sanft, wie er's eben jetzt gewesen, gnädigster Herr Her¬ zog,“ entgegnete die junge Frau auf die scherzenden Worte des Fürsten in froher Laune eingehend, „kann auch recht griesgrämig dreinsehen, mein Herr Ge¬ mahl — doch verzeiht, gnädigster Herr, — ich will daß ich in das Haus eile nur den Kleinen da der Lise übergeben, dieweil ich den Willkommtrunk herrichte, den ihr, gnädigster Herr, aus meinen Händen wohl nicht verschmähen werdet zu nehmen.“ „Ei, gewiß nicht, edle Frau,“ sagte der Herzog, und die junge Frau eilte voran in's Haus, wohin ihr die edlen Herren langsam, eifrig sprechend nach¬ folgten. Die Tür der Empfangsstube öffnete Kurt der ehemalige Leibknappe des Rit¬ ters, der jetzt, mit der braven Lise vver¬ heiratet, so eine Art Hausverwalter in dem neuen Heim seines Herrn geworden war, und die drei edlen Herren traten ein. Da kam ihnen auch schon Frau Emma entgegen, auf silberner Tasse dem Herzog den gefüllten, prächtig ziselierten Pokal überreichend. „Gott segne euren Eintritt, gnädigster Herr!“ sagte sie herzlich, und Wigbert fügte ehrfurchtsvoll hinzu: „Und er¬ laubt, daß ich euch in meinem Hause meinen Dank sage, gnädigster Herr, für die Huld und Güte, so ihr mir immer bewiesen! Jetzt erst fühle ich mich ganz beglückt, da es mir vergönnt ist, euch gnädigster Herr, dem ich all' mein Glück verdanke, in meinem bescheidenen Heim zu beherbergen!“ „Nicht doch, Ritter Hinterholzer, meinte der Herzog, den Pokal von der Tasse nehmend und sich zum trinken an¬ schickend, „nicht mir verdankt ihr euer Glück, das ich mit aufrichtiger Freude sehe, sondern euern wackern Taten! Eure Gesundheit, edle Frau!“ Der Herzog tat mit einem guten Zug Bescheid, stellte hierauf den Pokal wieder auf die Tasse zurück und wandte sich zu dem Abt von Gleink. „Hochwürdiger Herr,“ sagte er zu dem Prälaten, indem er leise seine Zöpfe strich, „da seht ihr's, daß auch aus Krieg und Kriegsnot zuweilen etwas Gutes entstehen kann. Und als ihn der Abt fragend ansah, setzte der Herzog lächelnd hinzu: „Gerade aus unseren Fehden ist dieses Glück hier entstanden und gegründet haben es Menschen, die sonst nur Unheil stiften, in ihrem zerstörungswütigen Trotz: „Die Herren von Rohr!“ 11
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