220 Nach ein paar Wochen ließ der Herr Matthäus von Rohr gegen eine nicht ehr bedeutende Summe Geldes die Herren von Stadel und von Traisen frei, nachdem sich der greuliche Zorn, den er über die Flucht Emmas von Kerschberg empfunden, durch das Gefühl seiner Ohnmacht und durch das gütliche Zu¬ reden des Grafen von Schaumburg, der ihm das Törichte seiner so hoch ge¬ schraubten Forderungen auseinander¬ setzte, gelegt hatte. Abt Ulrich II. von Gleink aber frug einen Neffen gelegentlich, als sie in der Arbeitsstube des Prälaten in Gleink bei¬ ammen saßen: „Na, Wigbert, jetzt wird wohl geheiratet? Soll ich das Aufge¬ bot bestellen?“ „Nein, hochwürdiger Herr Ohm,“ ent¬ gegnete Wigbert lächelnd, „das wäre zu früh! Habt zwar gesagt, ihr wollt bei Frau Ottilia für mich um ihre Toch¬ ter werben — aber ihr habt noch Zeit dazu, denn ich brauch' zuvor noch ein Nest für den Ehestand — das erwirbt ich ein Hinterholzer erst mit dem Schwert, und dann heiratet er!“ „Bist ein Goldjunge Wigbert,“ rief der Abt seinem Neffen erfreut die Hand reichend, „es kann dir dazu nicht fehlen am Segen des Herrn! Du bist der jun¬ gen Kerschbergerin sicher und ich, daß du sie heimführst unter's eigene Dach!“ Und Ritter Wigbert hielt, was er seinem Ohm zugesagt. Wohl schmollte Emma, als er derselben seinen Entschluß kundgab, bis die Fehde mit den Rohrern zu Ende sei, allein sie schmollte nicht lange, denn sie verstand ja schnell seine Absicht, auch billigte sie es, daß Ritter Wigbert nicht schon jetzt aus den Dien¬ sten seines Landesherrn trat, in so schwerer, fehdereicher Zeit, und wenn auch ihr Herz um ihn bangte, hatte sie doch festen Glauben an ihr künftiges Glück. Ritter Wigbert half denn auch mit des Herzogs Mannen die drei Rohrer, Wilhelm, Matthäus und Andreas weiter zu bekriegen. Wohl hatte es Wolfgang von Rohr nach dem Falle Leonsteins wiederholt versucht, seine Brüder davon zu über¬ zeugen, daß das Raubrittertum mit der Politik nichts zu tun habe, und man ein Gegner des Herzogs sein könne, ohne zu stehlen, allein vergebens! Die drei waren echte Buschklepper und blieben es zu ihrem eigenen Schaden, denn der Herzog setzte den Kampf gegen sie fort. Wolfgang von Rohr aber, der seit der Unteredung mit dem Herzog dessen edle Charaktereigenschaften schätzen ge¬ lernt hatte, handelte als ehrlicher Mann, wie er es dem Herzoge versichert hatte, es zu sein. Auch die Sache des Adels fand er nach reiflichem Ueberlegen denn doch nicht mehr ganz so gerecht, seit er erkannt hatte, daß der Herzog nicht aus Herrschsucht handelte, sondern nur das Wohl des Landes im Auge habe, und so enthielt er sich von nun an jeglichen Schrittes gegen den Landes¬ herrn, der ihn gnädiglich seiner Ge¬ wogenheit und seiner Achtung sich ver¬ ichern ließ. Wilhelm, Matthäus u. Andreas von Rohr mußten endlich den Kampf gegen Herzog Albrecht III. aufgeben und nur der mächtige Adel versicherte es ihnen, daß sie wieder in Gnaden vom Her¬ zoge aufgenommen wurden, doch ver¬ loren sie durch schiedsrichterlichen Spruch Leonstein samt Gebiet, das dem Herzog im November 1392 zugesprochen wurde.“) Damit waren aber ihr Wohlstand, ihre Macht und ihr Ansehen vernichtet. „Sie sollen das als Strafe be¬ trachten,“ hatte Herzog Albrecht III. ge¬ agt, „daß sie auf Leonstein für ewige Zeiten verzichten müssen! Den Herrn Wolfgang von Rohr werden wir aber dafür entschädigen, daß ihn seine Brüder ums Erbe gebracht haben, denn er ist ein edler Mensch und, ein echter Ritter!“ *) Die betreffenden Urkunden hierüber sind uns noch erhalten geblieben.
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