Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

„Um Gott, edle Frau faßt doch Mut,“ rief Wigbert aus seinen Brüten er¬ wachend und ihre Hand ergreifend, „ihr macht euch Selbstvorwürfe, die gar nicht 77 gerechtfertigt sind „Oh doch, Ritter Hinterholzer,“ be¬ harrte die Kerschbergerin bei ihrer Be¬ hauptung, „denkt daran, wie hochfahrend 77 ich euch selber behandelt hab' Wigbert wußte das gar wohl, aber Groll lag ihm ferne und deshalb beeilte er sich zu sagen: „Nicht doch, edle Frau, ihr hattet damals so Unrecht nicht, es war Tor¬ heit, ohne Namen und ohne Geld zu werben, doch lassen wir das! Ich wollt euch bitten, edle Frau, die Lise morgen früh noch nicht nach Grünburg zurück¬ zuschicken.“ „Warum das?“ frug sie verwundert. „Ich hab' da noch einen Plan, edle Frau — laßt ihn mir erst ausdenken ich reite jetzt nach Gleink zu meinem hochwürdigen Herrn Ohm, mit ihm will ich beraten! Morgen sollt ihr Antwort haben — vielleicht kann ich noch dazu helfen, euch eure Tochter zurückzubringen! Ich tu's nicht in der Absicht, euch, edle Frau, für mich günstig zu stimmen, da sei Gott vor, ich habe keine Hinter¬ gedanken.“ „Ich glaub' euch, Ritter Hinterholzer,“ sagte Frau Ottilia, ihm mit dankbarem Blick die Hand reichend, „ihr seid, wie ich merke, ein wackerer Edelmann! Es ei, wie ihr es verlangt habt, die Lise geht übermorgen erst nach Grünburg. „Und so Gott will, nicht leer,“ fügte Wigbert bei und empfahl sich, um nach Gleink zu traben. Abt Ulrich II. von Gleink hatte seinen Neffen mit großer Freude empfangen und beglückwünschte ihn vom Herzen zu seinen Erfolgen, die er sich bei der Be¬ lagerung Leonsteins geholt. Als aber Wigbert mit der Sache der Kersch¬ bergerin herausrückte, da wurde des Ab¬ tes Miene sehr unfreundlich und er pol¬ terte heraus: 215 „Laß' mich in Ruhe mit der Geschichte, ich kann da gar nichts tun! Ich habe es dir gesagt, schlag' dir die Sache aus dem Kopf, aber was verliebt ist, hat viel Eigensinn! Der Herr Herzog kann nichts tun, denn Grünburg ist eine starke Burg, die er erst erobern müßte, wie Leonstein, — und Geld, St. Johannes! das braucht er jetzt zu anderen Dingen! Denn eines einzelnen wegen wirst du doch nicht verlangen, daß ein Landes¬ fürst das Wohl des Ganzen hintan¬ setzt „Nein, hochwürdiger Herr Ohm, das seh' ich schon ein, daß von daher nichts zu erwarten ist,“ sagte Wigbert, „aber man könnte ja die Summe aufzu¬ bringen suchen.“ „Unter dem „man“ meint der Ritter jedenfalls mich,“ sagte der Abt mit lei¬ sem Spott, „danke für die Ehr'! Ich hab' nicht viel, Gleink ist nicht reich und hat auch nicht Beruf, sich in welt¬ liche Händel zu mischen,und dann was geht dich die Sache an? Wer bist 77 du zu den Kerschbergs? „Wohl wahr, hochwürdiger Herr Ohm aber es ist Ritterpflicht, den Be¬ drängten zu helfen „Das wäre auch Pflicht des Matthäus und seiner Brüder, mein lieber Wigbert, doch wir wollen zu Ende kommen über die Sache. Ich sehe, daß du nicht andern Sinnes wirst und werde tun, was ich kann. Ich will den Rat in Steyr zu be¬ wegen suchen, die Summe vorzuschießen, aber, Traun, zweitausend Goldgulden ist heut' viel Geld, und Geld ist rar denn jeder braucht's und ist erst die Frag', ob die Steyrer Geld haben, sind auch ausgepumpt durch die ewigen Feh¬ den! Bist jetzt zufrieden?“ „Ich muß wohl,“ seufzte Wigbert, und man kam auf andere Dinge zu sprechen. Wigbert ritt des andern Morgens nach Steyr zurück, trotzig einen Plan übersinnend, den er während der Nacht ausgeheckt hatte.

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