214 eilte Ritter Wigbert so wie er war und ohne sich umzukleiden, zu Frau Ottilia von Kerschberg, um ihr seine Dienste gegen Matthias von Rohr anzutragen, denn es drängte ihn, für Emma etwas zu tun — was, wußte er selber nicht. Alle Kränkung, die ihm Frau Ottilia angetan, war vergessen durch das Gefühl, Emma aus ihrer Gefangenschaft befreit zu wissen. Und die stolze Kerschbergerin, die sonst wohl nimmer dieses Außerachtlassen der Etikette vergeben hätte, empfing den jungen Ritter merkwürdig freundlich. Die Sorge um ihr Kind hatte ihren stolzen Sinn gebeugt — sie war milderen Sin¬ nes geworden. „Seht in mir nicht den Bewerber um die Hand eurer Tochter, edle Frau, hatte Wigbert gesagt, „sondern nur den Mann, der es für seine Pflicht hält, euch in eurer Bedrängnis beizustehen! Vom Herrn Herzog ist jetzt im Augen¬ blicke wohl keine Hilfe zu erwarten, den der hohe Herr ist trotz des Sieges über Wilhelm von Rohr nicht in der Lage, eure Tochter zu befreien — er muß den widerspenstigen Adel erst bändigen, be¬ vor er an die Vergeltung einzelner Missetaten schreiten kann, und die Stadt 77 Steyr „Kann mit den Rohrern allein meiner Tochter wegen nicht anbinden, ich weiß es,“ unterbrach ihn Frau Ottilia bitter, „es sind traurige Zustände im Lande! Ich habe mich an manchen Ritter in der Angelegenheit gewandt, während ihr vor Leonstein wart, aber sie alle zuckten die Achseln: „Zahlt!“ das war ihr Rat, ich bin euch sehr dankbar, lieber Ritter Hinterholzer, für das Anbot eurer Hilfe! Aber, auch ihr werdet mir raten, die Lösesumme zu zahlen, nicht? Ritter Wigbert biß sich vor Unmut über seine Ohnmacht in die Lippen. „Leider, edle Frau, ist dies der ein¬ zige Weg,“ sagte er zu Boden sehend, „aber eben darin will ich euch beistehen ich selber will mit dem Matthäus Rohrer reden —“ „Damit er euch ebenfalls festnimmt,“ meine Frau Ottilia, „nein, mein Ritter Hinterholzer, das geht nicht, habt ihr nicht bedacht, daß ihr es wart, der Leon¬ stein durch das Feuer der Geschütze be¬ zwang? Das wird euch von den Rohrern — und sicher nicht vergessen werden dann, ich kann die Summe nicht zahlen, die man für Emma und die anderen zwei fordert! Man will nur alle drei oder keines auslösen lassen, und wenn ich die Summe auch aufbringe, bin ich eine Bettlerin — den die Herren von Stadl und von Traising haben nichts, 7 woher sie das Geld nehmen sollten Seufzend hatte Frau Ottilia innege¬ halten und blickte den Ritter an, der mit finsterer Miene noch immer zu Boden ah. In ihm gährte es und die Gedanken schwirrten ihm durch das kochende Ge¬ hirn. — Frau Ottilia hatte eine Ant¬ wort erwartet, da aber Wigbert ganz wie geistesabwesend dreinsah, sagte sie, wie erklärend für ihre vorigen Worte: „Ich selber hab' nicht soviel an Geld und wenn ich all mein Hab und Gut verkaufe, bringe ich die Summe nicht auf, die der Matthäus Rohrer verlangt zweimal habe ich es ihm sagen lassen, aber der hartherzige Mann glaubt mir nicht und hält meine Worte für den Ausdruck von Geiz er lasse nicht handeln, sagte er der Lise — der Tor, als ob eine Mutter sich da noch besinnen könnte über etwas, wenn es sich um 77 ihr Kind handelt: Und jetzt brach bei Frau Ottilia der ganze lang verhaltene Schmerz durch, und sie begann zu weinen und die Hände zu ringen. „Ueberall, wo ich um Hilfe an¬ pochte, erhielt ich abschlägige Antwort, chluchzte sie, „man glaubt mir nicht, daß ich nicht so reich bin als man annimmt und vergönnt mir mein Unglück! Und Ritter Hinterholzer, ich habe sie verdient, diese Lieblosigkeit der Leute, ich sehe es ein, daß ich zu stolz, zu hart war leider ist es zu spät!“
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