Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

208 hoben seine Tatkraft. Der Herzog dem der Haderer den Fels, der die Burg überragte, gezeigt und ihn hinaufgeführt hatte, lächelte ungläubig über das Be¬ ginnen Wigberts, die Geschütze da hin¬ aufzuschaffen, aber der junge Ritter schien wirklich Wunder wirken zu können. Unter den unglaublichsten Anstrengungen und unter den größten Gefahren brachte nun der Hinterholzer sein Vorhaben zur Aus¬ führung, und am Allerheiligentage, an dem die Waffen ruhten, vermeldete Wigbert seinem fürstlichen Herrn, daß er einige Mörser auf der Felskuppe glücklich oben habe „Genug für Leonstein,“ schloß er seinen Bericht, „und ich erbitte mir die Gnade gnädigster Herr, daß ihr selber zusehen wollt, wenn die ersten Schüsse fallen Wie's drunten lebendig werden wird, wenn wir ihnen über den Köpfen ein Feuerwerk anzünden!“ Der Herzog war von dieser Meldung ebenso überascht als erfreut, und sagte zu, die Wirkung seiner Geschütze von der luftigen Höhe aus mitanzusehen. Wilhelm von Rohr saß eben beim Humpen. Er war müde, denn tagsüber hatte er fleißig nachsehen müssen und Befehle erteilen, um die Schäden un¬ wirksam zu machen, die die Steinkugeln, die von unten, aus dem Lager des Her¬ zogs den ganzen Tag über hinauf an die Mauern seiner Burg flogen, ver¬ ursachten. Jetzt hoffte er Ruhe zu haben die Nacht über und war guten Mutes. Die Burg lag fast uneinnehmbar da die Mauern waren fest, die Besatzung zahlreich und guter Laune, und Munition und Lebensmittel gab es noch genug. Wie wollte er dem Herzog seine Frie¬ densbedingungen vorschreiben, wenn die¬ ser einsah, daß Leonstein nicht zu be¬ zwingen sei, und das mußte Herzog Al¬ brecht doch bald einsehen, lag er doch dritthalb Monate jetzt vor des Rohrers Veste und der Winter war vor der Tür. Und wie würde es ihm, dem Wilhelm von Rohr, der Adel danken, daß er dem Herzog gezeigt, daß man sich vor demselben nicht zu fürchten brauche! Sein Ansehen und Einfluß unter seinen Standesgenossen konnte nur steigen und wehe dem Krämervolk, wenn er wieder aus der Veste konnte. Während Wilhelm von Rohr sich so in für ihn beseligende Gedanken ein¬ wiegte, stürzte plötzlich der Schloßvogt halb atemlos und unter allen Zeichen der höchsten Aufregung herein. „Um Gott, edler Herr, kommt doch schnell hinaus,“ rief er dem Rohrer zu, „und seht euch das Unglück schleunigst an die Herzoglichen sind auf dem Felsen oben, der unsere Burg überragt! Das kann Unglück geben, Herr!“ „Du lügst, Hund,“ donnerte ihn der Rohrer erschrocken aufspringend an, und griff unwillkürlich an den Schwertknauf. „Wie können sie da hinauf ohne Flügel?“ „Das wissen Gott und seine Heiligen allein,“ sagte der Schloßvogt, ängstlich zurückweichend vor seinem Herrn. „Aber 77 es ist so, wie ich sagte Der Rohrer war schon draußen aus dem Gemach und stürmte sporrenklirrend die enge Treppe herab, durch den Burg¬ hof auf die äußere Umfassungsmauer hinauf und starrte entsetzt durch die ster¬ nenklare Nacht hinauf zur benachbarten Felskuppe. Ja, es war richtig, was der Burgvogt gemeldet hatte, da oben waren Menschen, denn man sah ganz deutlich im Scheine der zahlreichen brennenden Fackeln da oben, wie es durcheinander huschte, Schatten auf¬ tauchten und verschwanden und allerlei hantiert wurde. „Himmel, alle Welt,“ murmelte der Rohrer ingrimmig zwischen den Zähnen, „das fehlt noch! Aber was können sie mir im Grunde genommen von da oben aus anhaben?“ Der Rohrer sollte schnell eines andern belehrt werden, denn in diesem Augen¬ blicke blitzte es oben am Felsen auf, ein furchtbarer Knall erschütterte die Luft, die den Schall donnernd forttrug, hinein

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