204 kündete durch ihr nervöses Zucken seinen niedergehaltenen Zorn. „Wohin ritten sie, die Buben?“ frug er. „Das weiß ich nicht, gnädigster Herr, agte Frau Ottilia seufzend, „man hat mich und das Gesinde, als man meine arme Tochter und die anderen drei fort¬ schleppte, im Hause eingesperrt und als wir das Haustor endlich geöffnet hatten, waren sie verschwunden.“ „Und warum hatten sich denn die zwei adeligen Herren, die mit euch waren, edle Frau, nicht gewehrt?“ frug der Herzog unmutig. „Traun, wenn auch viele Angreifer waren, so konnten sie doch den Versuch machen, sich zu wider¬ setzen!“ „Sie hätten's ja getan,“ jammerte Frau Ottilia, „gewiß, aber es sind zwei alte kränkliche Herren, und dazu waren sie ohne Waffen. Wer kann den ahnen, daß man in der nächsten Nähe der Stadt elber nicht mehr sicher ist?“ Der Herzog errötete vor Unmut bei den letzten Worten der aufgeregten Frau, die ihm wie ein Vorwurf klangen und er sagte jetzt ernst und gebieterisch: „Es ist gut, edle Frau, daß ihr mir sogleich Nachricht gabt von dem neuen Frevel, den die Rohrer verübt haben Geht beruhigt nach Hause, eurer Tochter wird kein Leid geschehen, des seid ver¬ sichert, auch ein Rohrer weiß, was er einer adeligen Dame schuldet „Aber was soll ich tun, um mein Kind zurückzuerhalten?“ unterbrach ihn Frau Ottilia ängstlich. „Ich zahle gern das Lösegeld, das der Rohrer fordert.“ „Laßt das unsere Sorge sein, edle Frau,“ beruhigte sie der Herzog. „Wir werden allsogleich Anstalten treffen, da¬ mit wir erfahren, wohin man die Ge¬ raubten gebracht hat, und euch eure Tochter zuführen, sobald es möglich sein — wird Frau Ottilia brach wieder in Tränen aus, der Herzog fügte aber dieser Ver¬ sicherung manches Trosteswort bei, und Frau Ottilia entfernte sich endlich, vom Herzog bis zum Schloßtore begleitet, aus der Burg, nachdem sie nochmals die Versicherung erhalten hatte, daß alles aufgeboten werden solle, ihr Kind zu befreien. „Die Frechheit dieser Rohrer geht denn doch zu weit,“ sagte der Herzog, als er mit dem Burggrafen die Treppe hinaufstieg, und es wetterleuchtete über sein sonst ruhiges Antlitz. „Traun, lieber Burggraf, wir werden genaue Abrech¬ nung machen und dem Gesindel das Handwerk legen, so gründlich, daß ihre Enkelkinder noch daran darben sollen! Schickt mir sogleich um den Stadtrichter, er soll im Rate, so wir jetzt halten wollen, zugegen sein!“ X. Als Herzog Albrecht III. des anderen Morgens wieder gen' Leonstein ritt, war er in recht nachdenklicher Stimmung. Von der jungen Kerschbergerin war nichts zu erfahren gewesen, der Matthäus von Rohr war mit seinen Gefangenen wie in die Erde verschwunden. Auch begann der Herzog bezüglich der Belagerung der Burg Leonstein bereits etwas in Sorge zu geraten, denn dauerte die Sache noch lange, so nahm sie ihm viel kostbare Zeit weg, die er so notwendig brauchte an allen Orten seiner Lande, denn der Adel war mit seinem strammen Regiment nirgends zufrieden und drohte überall mit offener Empörung, wenn er nicht rasch mit dem Wilhelm Rohrer fertig wurde. Dazu schürten die anderen derer von Rohr offen das Feuer des Aufruhrs gegen ihn. Freilich, der Matthäus und der Andreas von Rohr waren nicht viel zu fürchten. Die saßen irgendwo auf einer ihrer Burgen, oder mi߬ brauchten wohl gar die Gastfreundschaft eines ihrer adeligen Gesinnungsgenossen und benützten den Unterschlupf, den man ihnen gab, dazu, um ihren Raub darin in Sicherheit zu bringen — die dachten nicht an politische Intriguen, aber anders schien es mit Wolfgang Rohrer zu sein,
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