Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

202 nicht umsonst zu seinen Stuckmeister er¬ nannt haben! Ja, ja, Freund, Rohrer und Rohr sollen ihre Kräfte messen wollen sehen, wer stärker ist!“ IX. Der Herzog und seine Getreuen hat¬ ten die ablehnende Antwort des Roh¬ rers vorausgesehen und trafen nun ihre Maßregeln zur Belagerun der Veste. Die vollkommene Einschließung derselben war bald vollendet, und der Ritter Haderer und Wigbert hielten Umschau nach geeigneten Geschützstellungen. Wohl schüttelte Ritter Wigbert gar bedenklich das lockige Haupt, und erklärte, daß die Wirkung der Geschosse von den ausge¬ wählten Punkten keine große sein werde, allein er wurde überstimmt und machte sich endlich daran, seine Geschütze zu pla¬ zieren. So lange seine Arbeiten dauerten, neckte der Rohrer durch Ausfälle seine Belagerer, die immer auf der Hut vor einem Ueberfalle sein mußten und oft wurden sie beim Morgengrauen durch Alarmrufe aufgeweckt und mußten zu den Waffen greifen, um den kecken Roh¬ rer in seine Mauern zurückzutreiben. Das zog sich so zwei Wochen hin, bis endlich Wigbert dazukam, den ersten Schuß zu tun. Aber die Wirkung war keine allzugroße, denn die Mauern Leon¬ teins waren stark, und der Rohrer, den man deutlich vom Fuße des Berges aus sehen konnte, wie er eifrig auf den Mauerkronen herumging, und die Schä¬ den nachsah, die die schweren Stein¬ kugeln anrichteten, lachte sich höhnisch in die Faust dabei. Nach fast einem Monat ließ Herzog Albrecht den ersten Sturm auf Leonstein ausführen, aber trotz Wunder der Tapferkeit mußten die Stürmenden ohne Erfolg umkehren. So gings auch im September fort. Die Geschütze donnerten gegen die Mau¬ ern der Burg, aber ohne erheblichen Schaden zu tun. Gelang es auch, hie und da Bresche zu schießen, so fanden die herzoglichen Sturmkolonnen auch diese Lücken immer wohl besetzt und brennende Pechkränze, Steine und sieden¬ des Oel, die der Rohrer den Stürmen¬ den entgegenschleudern ließ, verhinderten das Anlegen der Sturmleitern und brachten Tod und Verderben unter die herzoglichen Truppen. Der grimmige Haderer kam aus dem Fluchen gar nicht mehr heraus und war fast Tag und Nacht auf den Füßen, und Wigbert sah sich fast die Augen aus nach einem günstigen Platz für seine Geschütze, denn er beabsichtigte die Er¬ zeugung von ungeheuren Steinkugeln, von denen er sich größere Wirkung ver¬ sprach. Gegen Ende Oktober ritt der Herzog nach Steyr, wohin er ab und zu sich zu begeben pflegte, um Regierungsge¬ schäfte zu erledigen. Im Schlosse kam ihm der Burggraf, der eben mit einer weinenden und händeringenden Edel¬ dame sprach, wie der Herzog wohl be¬ merkt hatte, finster entgegen. „Traun, gnädigster Herr, ihr kommt zu gelegener Stunde,“ rief der Burg¬ graf hastig aus und vergaß fast, dem Herzog den schuldigen Respekt zu be¬ zeugen in seiner sichtbaren Erregung. „Soeben haben die Rohrer wieder ein Stückchen geleistet wie es frecher nicht ein kann!“ „Ei.“ sagte der Herzog im ruhigen Tone, erstaunt über die Aufregung des Burggrafen, was ist denn geschehen? Der Wilhelm von Rohr sitzt fest auf Leonstein und wird sobald nicht los¬ 77 kommen von dort „Nicht von ihm ist die Rede, gnädigster Herr, aber kaum vor einer Stunde war ein anderer derer von Rohr in der Nähe von Steyr,“ sprudelte der Burg¬ graf hastig erzählend heraus, „und vier Personen aus unserer Stadt sind ver¬ schwunden — aufgehoben vor unseren Toren und als Gefangene wegge¬ 77 schleppt „Unmöglich,“ meinte der Herzog kopf¬ schüttelnd, „wie wär' denn das zuge¬ gangen —?“

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