Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

Der Rohrer strich den krausen Bart und sah die beiden Frager mit stechen¬ den Blicken an. „Euer gnädigster Herr mag sich die Antwort selber holen,“ sagte er spot¬ tend. „Gottes Blitz, er wird sich ver¬ bluten hier an diesen Mauern! Hier wird sich zeigen, wer Herr im Lande ist 7 der Adel oder der Herzog — „Traun, das dürfte euch doch übe bekommen, Herr Wilhelm von Rohr, unterbrach ihn Ritter Wigbert, dem das spöttische, trotzige Wesen des Raubrit¬ ters die Galle in's Blut trieb. „Es ist keine Mauer so hoch, daß man sie nicht übersteigen kann, und kein Stein so hart, daß er nicht zerrschellt werden könnte!“ „Versucht's doch,“ höhnte der Rohrer und sah Wigbert forschend an. „Eines aber laßt euch sagen, mein taperer Herr: Kommt ihr mir nochmals vor die Klinge, geht es nicht so glatt ab, wie vor wenig Wochen am Steyrer Stadtplatz! St. Georg! dankt es eurem Schutzpatron und meiner damaligen Eile, daß ihr heut' noch zu den Lebenden zählt! Und so wie mit euch, so hoff ich auch mit all' dem Volk fertig zu werden, das jetzt da unten auf meine Kosten sich mästet! Ich gebe nicht nach und weiche nicht!" „Ist das euer letztes Wort! frug der Ritter Hüssendorf drohend. „Zum Teufel, ja, ihr hört's doch,“ rief der Ritter unwirsch auffahrend. „Wenn ihr durchaus noch ein Sprüch¬ lein für den Herrn Herzog von mir hören wollt', gut, damit kann ich auch dienen; sagt nur drunten: „Die Herren von Rohr fürchten den Teufel selber nicht, und der Herzog mög' es nur auf¬ geben, mich zu beugen. Einen Roh¬ rer kann nur ein Rohr besie¬ gen!“ Die maßlose Selbstüberhebung und der grenzenlose Hohn, der in diesen Worten des Raubritters lag, reizte die beiden Abgesandten, und schon wollte — 201 der Ritter von Hüssendorf ebenso er¬ widern, als Ritter Wigbert rasch ein paar Schritte gegen den Schloßherrn vortrat und mit vor Entrüstung leise zitternder Stimme, jedes Wort eigen¬ tümlich betonend rasch erwiderte: „Genug der Worte, Herr Wilhelm — wir wollen's getreulich von Rohr vermelden, wessen ihr euch dem Herrn Herzog gegenüber vermessen habt! Aber eines laßt euch zum Abschied sagen und gedenkt meiner Worte in der Stunde der Entscheidung: „es sei, wie ihr ge¬ sagt habt, Wort für Wort soll es so sein.“ Einen Rohrer kann nur ein Rohr besiegen! Ihr sollt euch überzeugen, daß ihr unbe¬ wußt und vielleicht zum ersten¬ male im Leben euer eigener Prophet gewesen seid!“ Der Schloßherr schlug eine gellende Lache auf und wollte etwas erwidern, allein die beiden Abgesandten warteten keine weitere Rede des trotzigen Schlo߬ herrn mehr ab, sondern verließen, die Hand am Schwert, den Saal und die Burg. „Was meint ihr mit euren Worten, frug der Ritter von Hüssendorf seinen Begleiter, als sie nach dem Markte Leon¬ stein herabritten. „Traun, mein lieber Ritter Wigbert, wo sollten wir den Rohrer hernehmen, der diesen wilden Gesellen da oben zu Paaren treibt? Seine Brüder sitzen gerüstet auf ihren Burgen, und die werden nicht zahm, bevor nicht Leonstein erobert ist! ent¬ „Weiß das ebenso, wie ihr,“ gegnete Wigbert ruhig. „Nicht ein Roh¬ rer aus ihrer Familie wird's sein, der Herrn Wilhelm das große Mau stopft, aber doch ein Rohr, ein Dutzend Rohre, die mir gehor¬ chen und Gnade Gott der Veste Leon stein und ihrer Sassen, wenn ich diese Feuerrohre Tod und Verderben speien lasse über sie! St. Georg und Johannes! Ich hab' die Kunst gelernt, die Donnerbüchsen zu handhaben, draus¬ sen im Reich, und der Herzog soll mich

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