Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

198 war damit die bedeutungsvollste Frage des Abends entschieden, nämlich, welcher von ihnen die Ehre zuteil würde, mit dem Herzog den Tanz eröffnen. Die tanzlustigen Herren, jetzt allerdings meist nur die Gesetzteren, wählten gleichfalls, die Paare traten an, und bald war man — dem „An¬ mitten im ersten Tanz standstanz,“ wie der brummige Ritter Haderer, der sich fein säuberlich verzog, etwas höhnisch in den Bart brummte. In den lauschigen Winkeln des Saa¬ les plauderten, indes von den älteren Paaren der erste Tanz getan wurde, die jüngeren Damen mit den jungen Herren, die merkwürdig schnell die Aus¬ erkorenen ihrer minnebedürftigen Herzen zu finden wußten. Auch Ritter Wigbert hatte erspäht, wo Emma von Kerschberg zu finden war, und kaum trat Frau Ottilia mit dem Burggrafen zum Tanze an, so war er auch schon an ihrer Toch¬ ter Seite. „Welch' ein Glück, euch hier zu treffen, edles Fräulein,“ sagte er freudig. „Dacht' ich doch letzthin, als eure Frau Mutter mich mit ihren harten Worten zum Hause hinaustrieb, ich hätt' euch in 2 Regensburg das letztemal gesehen. „Ei, wie ihr doch ein schwaches Ge¬ dächtnis habt, Ritter Wigbert,“ lächelte Fräulein Emma freundlich, „wir haben uns ja vor kaum acht Tagen gesehen, wenn ich nicht irre. Aber, Herr Ritter, das däucht mir ein schlimmes Zeichen für — für eure Liebe zu mir, daß ihr das schon vergessen habt“ Und sie ah ihn etwas schmollend an, so daß Ritter Wigbert eiligst versicherte: „Nicht doch, edles Fräulein, so war's nicht gemeint — unter sehen, vermeine ich auch das Sprechen.“ „Seht doch, wie einsilbig ihr am Hofe doch geworden seid,“ sagte Fräu¬ lein Emma mit gutmütigem Spott, „sollte man nicht vermeinen, ihr habt euch den brummigen Helden, den Ha¬ derer, zum Vorbild genommen, der mit einem Wort sich immer zehn zu sagen befleißt?“ „Und wenn es so wäre, teure Emma?“ frug Wigbert. „Wäre das nicht zu un¬ erem Vorteil?“ Sie sah ihn ewas verwundert an und schüttelte das Köpfchen. „Daß ich nicht wüßte,“ meinte sie, leicht das Näschen rümpfend, „der Haderer wäre kein Gatte nach meinen Geschack —“ ich will ihm ja nicht in allem „O — nacheifern, liebste Emma,“ erklärte Ritter Wigbert rasch. „Nur seine Verdienste will ich mir als Vorbild nehmen, um, — kein fahrender Geselle zu sein, um in Hinkunft, sowie mich eure Mutter hieß —“ „Tat sie dies?“ frug Fräulein Emma und ein Blick des Bedauerns flog über ihr Gesichtchen. Ritter Wigbert nickte und fuhr fort, indem er verstohlen ihre Hand ergriff: „Wenn ich einen Namen habe unter den Tapfern, wozu sich ja Gelegenheit genug beut, einen solchen zu erwerben, und auch eine Burg mein Eigen nenne, dann hoffe ich, daß ich nicht wieder abgewiesen werde, so ihr nicht andern Sinnes ge¬ 77 gen mich geworden seid, bis dahin „Da sei Gott vor, Wigbert,“ sagte das Mädchen eifrig und drückte ihm leicht die Hand, „ich habe meiner Frau Mutter am selben Tag, als sie euch ab¬ wies, erklärt, daß ich euch zum Gemahl will und keinen andern.“ „Emma,“ wollte er aufjubeln, aber sie sagte sehr hastig: „Um Gott, seid doch vernünftig, Wigbert — wir werden ja von allen Seiten beobachtet, und da kommen auch schon meine Frau Mutter und der Burggraf zurück. Geht, ich bitte euch.“ „Aber einen Reigen, werdet ihr mir das Glück schenken?“ bat er noch. „Ja, ja, wenn es angeht —“ flüsterte das Mädchen rasch und wandte sich ab, um möglichst unbefangen ihrer Mutter entgegenzugehen, während Wigbert sich im Trubel der Menge vor der gestrengen Frau Ottilia zu verbergen suchte. Der Herzog war ebenfalls aus den Tanzenden ausgeschieden und trat, wäh¬

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