196 Der lange Zug, den er tat, beruhigte vollends das aufgeregte Gemüt des Wegelagerers, und ohne weiteres Wolf¬ gangs zu erwähnen, begannen die drei Rohrer wacker zu zechen und der Keller¬ meister hatte seine liebe Not mit dem Füllen der Humpen. Während aber die drei gleichgesinnten Brüder Rohrer ihren Aeger über den „Abtrünnigen“ fast bis zum Morgen¬ grauen die allzeit durstige Gurgel hin¬ abspülten und aus rauher Kehle Spott¬ lieder auf den Herzog und die Bürger dazu sangen, ritt Herr Wolfgang, nur begleitet von seinem Leibknappen, zum Burgtor hinaus, in die anbrechende Nacht hinein, um auf einer der nahen Burgen ein Obdach für die Nacht zu heischen. Als er zur ersten der Wegbiegungen kam, die das Sträßlein, so zur Burg Leonstein hinaufführte, gar viel machte, sah er grollend zu den gewaltigen Mau¬ ern und Zinnen der Feste auf und mur¬ melte in sich hinein: „Ich bin kein Raubritter, nein, ge¬ wiß nicht! Der Herzog soll mich immer da finden, wo es heißt, die Vorrechte des Adels zu verteidigen, aber Wehr¬ lose tret' ich nicht! Ich bin auch ein Rohrer — wenn auch von anderem Holz, wie die da droben! St. Georg! Halte ihnen unser Wappenschild rein und öffne ihnen noch die Augen!“ VII. Etwa acht Tage nach den vorhin ge¬ schilderten Ereignissen war in der alten Herzogsburg zu Steyr Abendempfang mit Tanz. Albrecht III., von fröhlichem Wesen und leutselig, liebte es, hie und da die Großen seiner Länder, vereint mit den ersteren der Bürger und Ge¬ lehrten, um sich zu vereinen, und wenn er besonders gnädiger Laune war, so gab's wohl auch ein kleines Tänzchen dabei. Den Steyrern, denen er besonders gewogen war, gab er heute den Abend¬ empfang auch aus anderen Gründen, als diejenigen waren, die seiner Leut¬ seligkeit entsprangen, und man munkelte, daß der Herzog die Gelegenheit be¬ nützen werde, um sich zu äußern, was er bezüglich der kecken Rohrer zu tun gedenke. In den prächtig geschmückten Sälen des Schlosses tummelte sich daher die Menge der Geladenen in begreiflicher Aufregung; die Männer ob der krie¬ gerischen Aeußerungen, die sie zu ver¬ nehmen hofften, die Damen ob der Ge¬ legenheit, sich hofieren zu lassen, die Pracht ihrer Toiletten zeigen zu können und wohl auch, um ein Tänzchen zu tun, denn damals waren derlei Gelegenheiten noch recht rar. Gegenüber der Eingangstür des gro¬ ßen Saales war eine Art Thron aufge¬ schlagen, dort sollte der Herzog seinen Platz haben und die Vorstellungen ent¬ gegenehmen. Rechts vom Throne, längst der Saalwand bis herab zur Tür, stan¬ den in Gruppen die Herren der Schöpfung, heute ohne Helm und Har¬ nisch, in gefälliger Hofkleidung oder in sonstiger ihrem Stande entsprechender Gewandung; links gruppierten sich die Damen. Ihre prächtigen Toiletten, das Gold und Geschmeide, daß sie zur Schau trugen, boten einen prächtigen Anblick, sowie der Liebreiz und die Schönheit der meisten von ihnen gar wundersam das Bild belebten, und manch' be¬ wundender Blick blieb auf ihnen haften. Auch Frau Ottilia von Kersch¬ berg war mit ihrer Tochter Emma unter den Damen. Frau Ottilia zeigte heute ihren Reichtum und manch' Frauenauge blickte mit Neid auf die kostbaren Stoffe, in die sie gekleidet war und auf den Schmuck, von dem sie gerade genug auf sich hatte. — Da¬ gegen war ihre Tochter Emma sehr einfach, wenn auch sehr gediegen gekleidet und fast ohne Schmuck. „Den brauche sie auch nicht,“ hatte der brummige Ritter Haderer bei ihrem Anblicke gesagt, Emma sei ja selber ein Juwel,“ und die Herren, die
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2