Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

186 „In meinen eigenen, jetzt im Augen¬ blick, gnädigster Herr Herzog“, erwiderte Wigbert bescheiden und fuhr, als er des Herzogs fragenden Blick wahrnahm, rasch fort: War draußen im Reich und hab' gelernt und geprüft, was ich lernen und werden sollte. „Ei, das ist brav von euch,“ nickte der Herzog beifällig, „hab es gern, wenn sich junges Blut herumtummelt in der Welt! Wir sehen uns noch — wie heißt ihr doch gleich?“ „Wigbert der Hinterholzer,“ fiel da der Abt von Gleink rasch in die Rede, „ist meines Bruders Sohn, eine Waise aber gutes Blut, daß sich im heiligen römischen Reich bei Verwandten befand wollt das schon früher sagen, gnä¬ digster Herr, war aber nicht die Zeit und der Ort dazu.“ „Ei, freilich nicht,“ nickte der Herzog und sich zu Wigbert wendend, fuhr er fort: „Geht zu unserem Bader, Herr Ritter und laßt euch verbinden wird wohl nur eine Schramme für euch bleiben, der Hieb, so Gott will! Und habt ihr nichts Besseres vor, Ritter Wigbert, mein Dienst kann tüchtige Arme brauchen! Gott befohlen!“ Und er winkte Wigbert freundlich zu, der sich, vor Freude über den gnädigen Empfang seitens des Herzogs ganz ver¬ wirrt, nach tiefer Verbeugung aus dem Gemache entfernte. Nachdem die Beratung nun doch zu Ende war, folgten ihm die Abte von Garsten und Gleink und der Burggraf. Als der Gleinkerprälat schon an der Tür war, rief ihm der Herzog nach: „Die Ritterrüstung laßt eurem Neffen aus meiner Waffenkammer geben, Herr den Ritterschlag werden wir ihm Abt — gelegentlich und nachträglich erteilen!“ Und der Herzog trat an das Fenster und sah, während der Abt von Gleink die Stube verließ, Ruhe nach außen, aber Sturm in seinem Innern, auf die Steyr hinunter. IV. Als Wigbert die Ratsstube im herzog¬ lichen Schlosse verlassen hatte, wartete er am Gange draußen, bis sein Vetter der Abt von Gleink, herauskommen wür¬ de und hatte auch nicht lange zu warten. Sowohl der Abt von Garsten, als auch der Burggraf, die an ihm vorüberkamen, drückten ihm herzlich die Hand und sag¬ ten ihm im Vorbeigehen einige verbind¬ liche Worte über sein wackeres Verhalten dem Rohrer gegenüber und gingen dann ihrer Wege. Nun kam der Gleinkerprälat daher, eilte hastig auf Wigbert zu, umarmte und küßte ihn und rief, indem er ihm beide Hände drückte: „Lob und Preis dem Herrn des Himmels, der dich wieder heil in die Heimat zurückgeführt hat! Gott zum Gruß zu Hause!“ Und nochmals ihn küssend, setzte der Abt hinzu: „Bist wohl erst kurze Zeit hier? — dachte mir's, sonst wärst du ja in Gleink gewesen, bei deinen Ohm, bin neugierig, wie du zu der Bescherung mit dem Rohrer kamst! Doch hier ist kein Ort zum Schwatzen, komm mit in den „Löwen,“ hinunter in die Stadt, allwo ich eingekehrt bin, da wollen wir plau¬ dern! Hast auch Hunger und Durst, was? Na, Junge komm nur!“ Und ohne eine Antwort seines Neffen abzuwarten, zog er ihn fast an der Hand, hastig ausschreitend, über Gänge und Treppen durch's Schloß zum Tore hinaus, öfters widerholend: „Wirst mir deine Erlebnisse im Reich drunten er¬ zählen, bin wahrhaftig neugierig darauf was König Wenzels Majestät kunter¬ buntes Zeug da draußen treibt! Ei, welch' Zufall, dich hier zu finden! Wigbert der willig seinen Ohm folgte, antwortete natürlich nicht auf des Abtes Reden, die dieser in der Freude, den Neffen so unerwartet gefunden zu haben, hervorsprudelte und bald traten sie in der Herberge „Zum goldenen Löwen“ ein, die nur wenige Schritte von Frau

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