Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

Salzburg hier in der Stadt gefangen genommen und mit sich fortgeführt!" Die Herren sprangen bei diesen Worten von ihren Sitzen auf und höchste Ueber¬ raschung und Bestürzung zeigte sich in ihren Gesichtern. Der Herzog wurde ab¬ wechselnd rot und blaß im Gesichte, er¬ hob sich gleichfalls und indem er an seinen beiden Zöpfen nestelte, was bei ihm immer ein Zeichen hoher Erregung war, rief er mit starker Stimme: Gottes Blut, das kann der Rohrer nicht gewagt haben! Nein, das ist ein Irrtum! Die Barone Goldeck und Fel¬ ber standen unter unserem ganz be¬ sonderen Schutze — Ihr müßt falsch verstanden haben, Herr Burggraf!“ „Der Junker hat keine Namen ge¬ nannt,“ entgegnete dieser, „denn er kennt die Beteiligten, an der Sache nicht, aber es kann nicht anders sein! Doch erlaubt, gnädigster Herr, daß der Junker euch selber die Mähr' erzähle!“ Eine Handbewegung gab die erbetene Erlaubnis und der Burggraf eilte zur Tür, sagte einige Worte hinaus und herein trat Junker Wigbert, bescheiden an der wiedergeschlossenen Tür stehen bleibend, nachdem er dem Herzog und den Anwesenden durch tiefe Verbeugung seine Ehrerbietung bezeigt hatte. Der Abt von Gleink hatte bei seinem Anblick Zeichen lebhaftester Ueber¬ raschung gegeben und Miene gemacht, sich dem Junker zu nähern, er bezwang sich aber noch rechtzeitig, zudem trat der Herzog, der seine Entrüstung niederge¬ kämpft hatte, auf den jungen Mann zu, mit Erstaunen und lebhafter Neugierde in Blick und Miene blieb er etliche Schritte vor Wigbert stehen und sagte mit noch von der soeben gehabten Er¬ regung etwas zitternder Stimme: „Der Herr Burggraf meldet mir, ihr hättet gesehen, wie der Ritter von Rohr soeben die Gesandten des Erzbischofs — wie von Salzburg hier abgefangen war's damit? Erzählt rasch, die Zeit ist kostbar für mich!“ 185 „Ob das der Ritter von Rohr und die anderen Herrn gewesen, die soeben genannt habt, gnädigster Herzog, das weiß ich nicht anzugeben“, sagte Wigbert bescheiden und hielt die ihm musternden Blicke des Herzogs ruhig aus. Und er erzählte den Verlauf des Ueberfalls mit kurzen, ruhigen Worten aber in klarer Weise. Die anwesenden Herren machten öfters Zeichen der Entrüstung, der Herzog aber, der vollkommen Herr seiner selbst ge¬ worden war, hörte Wigbert, auf den Knauf seines leichten, aber langen Schwertes gestützt, ruhig an, und keine Miene seines unbeweglichen Gesichtes verriet seine Gemütsverfassung, nur um seine Mundwinkeln zuckte es gewaltig und die große Habsburgerunterlippe be¬ wegte sich etlichemale in nervöser Weise. Seine anfangs mißtrauisch und durch¬ dringend auf Wigbert gerichteten Blicke wurden zusehends freundlicher, ja, als dieser sein Zusammentreffen mit dem Ritter kurz erwähnte, hatte der Herzog sogar einen gütigen, wohlwollenden Blick für den Erzähler. Dann wurde das Antlitz des Fürsten wieder undurch¬ dringlich und als Wigbert geendet, wandte er sich zu dem wie Bildsäulen dastehenden Herren und seine Stimme klang rauh, als er zu ihnen sagte: „Kein Zweifel, ihr Herren, der Rohrer hat es gewagt, mitten in meiner Stadt Steyr, zwei unter meinem Schutze stehende Abgesandte aufzuheben! Him¬ mel, alle Welt, das soll er büßen!“ „Herr Ritter,“ wandte sich der Her¬ zog an Zacharias Haderer, „eilt sofort mit Reitern gegen Leonstein — ich will wissen, wohin der Rohrer seine Ge¬ fangenen gebracht, das Weitere werdet ihr hören!“ Der Ritter eilte hastig aus dem Gemach, froh, dem Zorne, der in ihm kochte, Luft machen zu können, der Her¬ zog aber wandte sich an Wigbert und fragte kurz: „In wessen Diensten, Junker?“

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