Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

178 gestickt, denn auch Wigbert Hinter¬ holzer, so hieß der junge Mann, war aus adeliger Familie, die den Kerschber¬ gern nicht nachstand. Das Gespräch mußte sich um einen sehr ernsten Gegenstand drehen, denn der junge Mann, der soeben seine Wor¬ te geendet hatte, machte ein fast fei¬ erliches, erwartungsvolles Gesicht, dem man einen etwas ängstlichen Zug nicht absprechen konnte. Die stolze Dame, die ihm sehr auf¬ merksam zugehört und bei seinen Worten mit den weißen Fingern auf dem Tisch¬ chen getrommelt hatte, das neben ihr stand und worauf sie den linken Arm gestützt hielt, machte durchaus keine freundliche Miene, sondern blickte sehr strenge auf den jungen Mann und frug jetzt kalt: „Ihr seid. wohl zu Ende, Junker Wigbert?“ „Ja, edle Frau,“ entgegnete dieser und nickte leicht, „ich hab euch alles gesagt, was ich zu sagen hatte — ich war offen und ehrlich, mögen diese beiden Eigen¬ schaften meiner Worte Fürsprecher für meine Bitte sein. Frau Ottilia rümpfte leicht das Näs¬ chen. „Ei, Junker Wigbert, ihr seid doch allzubescheiden, wenn ihr glaubt, daß ein Brautwerber keine andern Fürsprecher braucht, als einzig und allein Offen¬ heit und Ehrlichkeit! Wahrlich, da würden die Ehen keine glücklichen wer¬ 77 den „Ich verstehe euch nicht, edle Frau,“ unterbrach sie Wigbert lebhaft, „ich meinte doch, daß Ehrlichkeit und Offen¬ heit die ersten Bedingungen seien, um eine Ehe zu knüpfen!“ „Aber nicht die wichtigsten,“ sagte Frau Ottilia kalt und sah zum Fenster hinaus. Es entstand eine sekundenlange Pause im Gespräch, die Wigbert höchst peinlich war. Plötzlich wandte ihm die Edelfrau wieder ihr Gesicht zu und sagte: „Ihr habt um die Hand meiner Tochter Emma angehalten, Junker Wigbert, und mich um sogleiche Antwort gebeten. Ihr sollt —7 sie haben, frei und offen Junker Wigbert horchte auf. „Merkt wohl, was ich euch jetzt sage, fuhr die Dame fort. „Euch habe ich meine Emma nicht bestimmt, ihr müßt um ein Ehegemahl schon an anderer Tür anklopfen — ich bedaure, daß ihr euch hieher bemühtet“ Der Junker war blaß geworden, und eine Linke spielte nervös mit dem Dolche. „Warum, edle Frau?“ kam es zwischen einen zitternden Lippen hervor, „ich frage euch: warum die so schroff ab¬ lehnende Antwort? Habt Erbarmen mit mir und sagt, warum ich eure Emma nicht freien darf“ „Ei, ihr seid doch nicht der Be¬ scheidenste, Junker Wigbert,“ sagte Frau Ottilia und ein schrilles Lachen durch¬ tönte das Gemach. „Ich glaubte, meine ablehnende Antwort wäre genug, doch, wenn ihr darauf besteht, mir kanns recht sein, ich will euch die Gründe für das „Nein“ aufklären, beschwert euch dann nur nicht darüber, daß ich wenig schon¬ ungsvoll bin“. „Ah, fürchtet das nicht, edle Frau, gab er rasch zur Antwort, „besser zu wissen, was ich verbrochen habe, als sich das Hirn zermartern zu müssen, um einen Grund für eure abschlägige Antwort zu finden“. „Gründe sollt ihr genug hören, Jun¬ ker,“ gab sie rasch zur Antwort, „genug, sage ich euch! denkt doch selber nach, — gibt eine Mutter ihr Kind einem Junker ohne Namen, ohne Stellung, ohne Vermögen? könnt ihr das ernst¬ lich verlangen“? „Also das ist's,“ sagte er bitter und fuhr sich mit der Rechten leicht über die Stirne. Sagte ich doch gerade früher, edle Frau, daß ich mir die goldenen Sporen baldigst erhoffe, auch bin ich nicht arm, wenn auch nicht so reich wie ihr und

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