Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

C 50 S G 8 1 B * 3 Hde Die Herren von Rohr. historische Erzählung aus Stadt Steprs Vergangenheit von heinrich Kematmüller. I. eine geborene Schachen, hatte ihr Leb¬ tag nie Mangel an Glücksgütern gehabt, n der prächtig eingerichteten Em¬ und als Ritterfräulein geboren, hatte # pfangsstube eines Hauses am sie wieder einen Ritter geheiratet und Stadtplatz in Steyr, über dessen Ein¬ ihr Leben nur im Kreise ihrer Standes¬ gangstür sich ein ritterliches Wappen, genossen zugebracht, besaß daher durch in Sandstein gemeis elt, angebracht be¬ Geburt und Erziehung alle Vorzüge, fand, saßen sich an einem Mittage im aber auch alle Schattenseiten des damali¬ Mai 1390 zwei Personen im eifrigen Ge¬ gen Adels. spräche gegenüber. Jetzt war sie Witwe und Vormünderin Am Fenster, dessen kleine, mit Blei eines zehnjährigen Sohnes und einer aneinandergefügte Scheiben das helle etwa zwanzigjährigen Tochter, der weit Sonnenlicht, das von draußen hereinfiel, im Land ob ihrer Schönheit ebenso be¬ stark dämpften und dem Gemache da¬ rühmten, als ob ihrer Züchtigkeit und durch jenes trauliche Aussehen gaben, edlen Herzenseigenschaften gerühmten das man bei unseren jetzigen Bauten Emma, die durch ihre Herzensgüte vergebens suchen würde, saß im hohen, manch hartes Wort, daß ihre Mutter geschnitzten Lehnstuhle eine Frau von in ihrer verletzenden Art gesprochen, etwa fünfzig Jahren, mit graumelierten manch hartherzige Tat derselben wieder Haar, in die Tracht der Edelfrauen je¬ gut machte, die auch die Armen nicht ner Zeit gekleidet. Alles an ihr und vergaß, welche von ihrer Mutter nichts um sie verriet den Reichtum, in dem sie zu hoffen hatten. lebte, und die harten, strengen, wenn Frau Ottila gegenüber saß ein et¬ auch schönen Züge des Gesichtes gaben wa 26 bis 28 jähriger Mann, mit hüb¬ Zeugnis davon, daß diese Frau wenig schem, etwas wettergebräuntem Antlitze Herz besaß, wie es denn auch tatsächlich und kurzgeschnittenem Vollbarte. Auch der Fall war. er trug die Kleidung eines Edelmannes, Ottilia von Kerschberg *) war wenn auch nicht die Abzeichen eines ebenso reich als stolz. Sie hielt viel Ritters, so da goldene Sporen und Kett¬ vom Adel der Geburt, noch mehr aber lein u. dgl. mehr waren. Ein schön zise¬ auf Reichtum und behandelte alle Men¬ lierter und mit einem prächtigen Griff schenkinder, die weder adelig noch reich versehener Dolch zierte seine Seite, das waren, als tief unter ihr stehend, als Wehrgehänge war reich gestickt und auf ihr nicht ebenbürtig. Freilich, sie selber, der Brust des Wamses war ein adelig *) Ein damals in Steyr ansässsiges Adelsgeschlecht, Wappen gar fein und kunstvoll ein¬ wie die Schachen. 12 177

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