Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

mütigen Gesichte des Hofkutschers Walter, der den Kaiser mehr als ein Vierteljahrhundert fährt, nicht bald auf¬ tauchen würde. Man ging nicht eher heim, als bis man den Kaiser gesehen und ließ sich ein stundenlanges Warten nicht verdrießen! In Ischl empfing der Kaiser alle Diplomaten, Fürstlichkeiten und Freunde. Wie oft war nicht König Eduard hier zu Besuch! Der Herrscher schien sich hier immer äußerst wohl zu fühlen, und sah nicht wie einer aus, der große Pläne zu spinnen vermochte! Der verstorbene König von Rumä¬ nien weilte mit der Königin in früheren Jahren auch in Ischls Mauern und liebte es, das kleine Theater zu besuchen Wahrlich nicht die Hofoper Wiens hat solch hohe Gäste gesehen, wie das Ischler kleine Holztheater! Der Kaiser besuchte es bis vor wenigen Jahren sehr gerne. Von seiner engeren Familie sind jetzt noch Prinzessin Gisela und ihr Gemahl fast tägliche Besucher ge¬ wesen. Das letzte Mal war der Kaiser mit den gesamten, in Ischl weilenden Familienmitgliedern bei der neuesten Edisonschen Erfindung des „Kino¬ tophon“. Ein unvergeßlicher Anblick, den Herrscher umgeben von Kindern und Kindeskindern, aufmerksam der interessanten Vorstellung folgend, zu sehen! Das geladene Publikum sah nur und immer nur den Kaiser an und konnte sich nicht satt sehen an dieser ungebeugten Männlichkeit! Es lag da¬ mals ein unbegreiflich feierliches Etwas über dem Hause. Es war ein sonnen¬ heller Nachmittag und als der Kaiser das Theater verließ, umfingen ihn tausende, brausende Hochrufe! Im Jahre 1913 — da weilte zu seinem Geburtstage seine Enkelin mit ihren herzigen Kindern bei dem erlauchten Großpapa zu Besuch. Die Auffahrt zur Kirche an Kaisers Geburtstag war an und für sich eine Sehenswürdigkeit durch die Einfachheit und doch Eleganz, die dem ganzen das Gepräge gaben. Es 175 war nicht die Pracht der Residenz, die da sprach. Es war der gute Wille einer kleinen Landstadt, die das Glück hat, den mächtigen Herrscher einige Wochen jedes Jahres in ihrem Tale weilen zu sehen! Der Vorabend mit seiner Beleuch¬ tung, die nicht größer, nicht prächtiger wird, die sich stets gleich bleibt, spricht schon für den konservativen Sinn der Einwohner! Am Siriushügel die Initialen F. I., die Kaiserkrone ein bescheidenes Feuerwerk! Die Traunufer der Esplanade mit Oellämpchen be¬ leuchtet! Das herrliche Monument des Karlsplatzes mit Lichtern besteckt, die Bürgerkapelle mit dem Umzug und das Allerschönste, eine schier endlose, wogende Menge. Um 10 Uhr morgens wenn die Glocken feierlich zum Tedeum in die schöne, große, von Maria Theresia erbaute Pfarrkirche rufen, da ist Ischl schon vollständig versammelt, um zu sehen! In früheren Jahren fuhr der Kaiser selbst in der Kirche und inmitten seiner Untertanen, in der dunst= und menschenerfüllten Kirche blieb er, bis das letzte heilige Wort verklang! Die letzten Jahre blieb er ferne; der ge¬ strenge Arzt erlaubt es nicht mehr. Die kaiserlichen Kinder fahren in das Got¬ teshaus um den Allmächtigen zu bitten, er möge das teure Haupt behüten und beschirmen! Es ist ein erhebender, feier¬ Anblick, wenn die ersten Hofwagen vor¬ gefahren kommen! Prinzessin Gisela mit ihrem Gemahl und Söhnen Georg und Konrad; Erzherzogin Marie Valerie mit ihrem Gemahl und der Schar ihrer lieblichen Kinder; die anwesenden Hof¬ würdenträger und Minister. Auch heuer ward in Ischl das Feuer¬ werk abgebrannt, die Beleuchtung war dieselbe, die Kirchenglocken die Menge zum Gottesdienst riefen — aber fern waren sie alle, die, die diesem Tage die echte Weihe geben! Leer steht die kaiser¬ liche Villa, fern weilten die Prinzessinen. Draußen wütet noch immer der Krieg und im Schlosse zu Schönbrunn sitzt der

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