Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

etwas sank. Uebrigens wurde doch der Pferdestand der Armee auf den vollen Friedensstand ergänzt und die Gewehr¬ erzeugung hier forziert, indem wöchent¬ lich 4000 Stück abgeliefert werden müssen, sogar 100 Mitrailleusen (soge¬ nannte französische Kugelspritzen) müssen hier erzeugt werden. Endlich beglückte der Hochwürdige Lin¬ zerbischof Franz Josef Rudigier das liberale Steyr wieder einmal mit seiner Gegenwart, indem er am 1. August in der Stadtpfarrkirche über 2000 Kinder firmte, worauf er dann am 3. August im hiesigen Theatergebäude die Jahresversammlung des O.=Oe. Katholikenvereines er¬ öffnete und eine lange Rede zur Ver¬ teidigung der vom römischen Konzile be¬ schlossenen päpstlichen Unfehlbarkeit hielt Die Versammlung dauerte zwei Tage. Am 5. August traf hier die Nachricht ein, daß von seiten unseres Kriegsministe¬ riums die gegenwärtige Kriegsbefürch¬ tung als willkommener Anlaß benützt werden wird, die längst beantragte und vorbereitete Befestigung der Enns¬ linie in Ausführung zu bringen. Und wirklich trafen schon am 7. August meh¬ rere Genieoffiziere mit einer ganzen Kompagnie Geniesoldaten und tausenden von Schanzwerkzeugen und Sandsäcken hier ein, ferners zwei Kompagnien in Enns und eine Kompagnie in Maut¬ hausen und sollten auf der ganzen Linie von Mauthausen bis gegen Ternberg hinein (sogar am Damberg) nicht weniger als etliche 90 selbständige Forts errichtet werden, wozu an Arbeitskräften über 20.000 Mann verwendet werden sollten, damit das Ganze in längstens sechs Wo¬ chen ausgeführt werde; da aber die Ko¬ sten über 15 Millionen fl. betragen wür¬ den und ein allgemeiner Aufschrei der Entrüstung erfolgte, so gebot der Finanz¬ minister „Halt“ und es blieb also vor¬ derhand bei der Ausarbeitung der Pläne und Aussteckung der Forts und die Soldaten zogen nach einigen Wochen, während welchen sie exerziert hatten und 161 vom Verschönerungsverein zur Anlage eines Weges am Dachs¬ berg verwendet worden waren, wieder ab und blieben dann nur ein paar Of¬ fiziere und die Schanzwerkzeuge hier Nachdem in Steyr der privile¬ gierte Schießstand seit der Auf¬ hebung der städtischen Schießstätte im Stadtgraben, längs der Promenade, im Jahre 1834 gar keine eigene Schießstätte besaß, sondern nur in der elenden Schie߬ stätte in der Forsthub an der Enns not dürftig geschossen, nun infolge des Eisen¬ bahnbaues auch diese Schießstätte aufge¬ hoben wurde, so hat endlich die hiesige privilegierte Schützengesellschaft einen Grund vom Stadlmayrgute ge¬ pachtet und darauf eine Schießstätte mit einem hölzernen Schießhause errich¬ tet, welche Schießstätte nun im August eröffnet worden ist. Da das hiesige Eisenbahnsta¬ tionsgebäude offenbar für den oft nach Hundert. zählenden Menschendrang viel zu klein ist, so wurden, anstatt einer soliden Vergrößerung, wieder nur provi¬ sorisch, die ohnehin nur provisorischen Seitenanbaue durch Rieglwandzubauten vergrößert. Am 6. August stürzte durch einen Wolkenbruch eine mehrere Klafter lan¬ ge Strecke des Eisenbahndammes oberhalb der Pfarrerleiten zu Ra¬ mingdorf in die Enns hinab, deren Wiederaufbau ein paar Wochen Arbeit erforderte. Wegen des schlechten Wetters und auch wegen der starken Viktualienausfuhr nach Deutschland und Frankreich steigt die Teuerung sehr empfindlich. Anstatt daß die Stadtgemeinde die Gründe auf der Ennsleiten, welche von der Bahnbauunternehmung um 4 fl. per □o zu haben gewesen wären, zur An¬ kegung eines ordentl. Platzes nächst des Bahnhofes und einer Promenade auf der Ennsleiten erkauft hätte, hat Herr Josef Werndl in der Gemeinde¬ ratssitzung vom 4. November einen anderen großartigen Plan proponiert, 11

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2