142 drucksformen mitübernommen. Dem Laien ist sie wenig, diese adelige Kunst, die den Kenner begeistert und deren Werke von den Liebhabern so teuer bezahlt werden. Diese Werke sind so kostbar, daß sie schon als Musealstücke in die Welt treten. Wer wird mit einem Eßbesteck (Gabel und Messer, ohne Löffel!) speisen, das vier¬ tausend Kronen kostet? Welch ein fürstlicher Jäger mag einem erlegten Hirsch mit einem Jagdmesser den Gnadenstoß geben, das er um zehntausend Kronen erwarb? Dazu wurde es nicht geschaffen und ge¬ chmückt. Nur der Kaiser kann auf seinem Schreibtisch eine Papierschere von Michel Blümelhuber in Verwendung haben, andere Sterbliche fragen nicht nach dem Meister olcher Gebrauchsgegenstände. Nun konnten aber Kenner einen ganz neuen Schaffens¬ abschnitt feststellen, der mit idealem Auf¬ chwung noch über den Gebrauchsgegen¬ tand hinausgeht, in den jüngsten Stahl¬ schnitten des Meisters und in dem, was im Entstehen begriffen sein soll. Das mag uns manches erklären: Dieser nachdenkliche Stahlkünstler, dessen Unsterblichkeit im Rahmen des Kunst¬ historischen Hofmuseums heute schon ge¬ wiß ist, schreibt auch und dichtet. Er be¬ kennt sich zu philosophischen Aufsätzen und zu dramatischen Arbeiten und hat kürz¬ lich ein Buch veröffentlicht, eine Dich¬ tung höchsten Schwunges über den Weltkrieg. Mehr Philosophie als Poesie, mehr ekstatische Wucht als Gestaltung. „Weltenwende, Stim¬ mungen, Visionen, Wirklichkeit“ nennt er ein Werk, und es beruht auf starken persönlichen Eindrücken, die er sich an der Front im Nordosten geholt hat, wo er als Gast eines hochstehenden Feldherrn weilte. Das gewaltige Erlebnis hat ihn künstlerisch überfallen wie nie eine Auf¬ gabe seines Stammberufes, gesteht er, und er mußte es sich von der Seele chreiben. Aus dem Verantwortlichkeits¬ gefühl für Wohl und Wehe seines Volkes heraus entstand dieses Werk, das ein Mahnruf an das heutige Geschlecht und ein Pfadsucher sein will für ein künf¬ tiges. Wie ein sich als eigene Schuld immer mehr rächendes Entfernen von allem Hohen und Göttlichen und wie ein schon dem wüstesten Materialismus ver¬ fallenes Verirren der Menschheit erscheint ihm dieser Weltkrieg, und seine Dichtung will nach höheren Zielen weisen. Er¬ barmen, Brüderlichkeit und Treue sind aus der Welt entschwunden, der Mensch ist Luzifer, ist das Sinnbild des Bösen geworden. Seine Untertanen aber heißen: Habgier, Neid, Bosheit, Lug und Trug, Treulosigkeit, Rachsucht. Und sie führen Krieg, fallen übereinander her, sich gegen¬ eitig anklagend, sich zerfleischend. Und aus diesen Wirrnissen will der philoso¬ phische Dichter die Menschheit hinaus¬ ühren. Voll Begeisterung verkündet er die ewigen Ideale und sieht ein fernes Licht der Verjüngung und Erneuerung der Menschheit, das über dem Heldenbund schwebt, der sich um das Volk St. Michels geschart hat. Der Mensch Luzifer will die schrankenlose Unterwerfung der Welt, aber der Böse kann nicht triumphieren, olange in einem Volke noch der Glaube an die Ideale lebt und die Treue in Denken und Handeln. Ein frühlings¬ tarkes Auferstehen aller seelischen Urkräfte wird von diesem Volke ausgehen. Diesen edlen Inhalt sucht man sich nicht ohne Mühe aus der Dichtung Michel Blümelhubers zusammen, die sich in vier „Gesichten“ aufbaut: „Mensch Luzifer“ „Das große Ringen, „Aus Sternen¬ höh'“ „Aus Weltentiefen“. Voran aber tellt der Verfasser seinem Werke den tolzen Satz. „Gewidmet einem kommen¬ den Geschlecht und seinen Pfadsuchern ohne Anspruch auf einen Gegenwartserfolg und ohne jede Fessel an herkömmliche Lehrmeinungen und Kunstformen. Da¬ mit entwaffnet er jegliche Kritik. Das Buch will ein eigenwillig besonderes Werk ein, für eine auserlesene Gemeinde, so wie die Werke des Stahlschnittes. Die vielen Freunde des Meisters aber haben es in einer stattlichen Ausgabe veröffent¬ licht*) und mit dem Bildnis Blümelhubers geschmückt. In diesem Charakterkopf lebt etwas, das die Dichtung erläutert und dem Dämon Luzifer alle Nebelschleier ver¬ *) Verlag von Christoph Reißers Söhne, Wien, 1916.
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