234 ist Krieg zwischen Rußland und Deutsch¬ land.“ Kapitän Hillmann und sein Steuer¬ mann sahen sich sehr bestürzt und be¬ troffen an. „Pascholl!“ schrie der Russe mit einem Aufwand an Lungenkraft. „Kurs nach Hangö!“ Wohl oder übel gab Hillmann das Maschinensignal und drehte bei, während einer der schmierigen russischen Matrosen die deutsche Flagge niederholte. Zähne¬ knirschend sahen es die Deutschen. Der russische Offizier hatte sich indes auf die Bank am Steuerhäuschen gesetzt er gähnte überlaut, lächelte dann pfiffig über sein ganzes, gedunsenes Gesicht und agte: „Ah! Das schöne Prisengeld! Ah! Das schöne Prisengeld! Seit Monaten steht mein Gehalt aus. Armer Wassilij Nikolajewitsch. Mein Gehalt steckt in die Tasche der Herr Intendanturrat. Warum soll der arme Wassilij Nikolajewitsch nichts in die Taschen stecken?“ Seine Augen funkelten begehrlich und listig. Hillmann horchte auf. „Was soll mit der „Rheinland“ werden, Herr Komman¬ dant?“ fragte er. Der Russe grinste geschmeichelt. „Ah ich weiß nicht,“ versetzte er. „Hohe Admiralität wird's wissen. Sie werden sie in der Hafeneinfahrt versenken.“ „Mit der ganzen kostbaren Ladung?“ fragte Kapitän Hillmann. „Das wäre doch ein Jammer. Das Schiff sinkt mit Ballast gerade so gut. In die Ladung sollten kluge Leute sich teilen.“ Der Russe riß seine kleinen Schweins¬ augen strahlend weit auf. Der Koch, der zugleich Steward war, kam auf die Brücke mit Kaffeegeschirr und einer Flasche Kognak. Der Steuer¬ mann schenkte die drei Tassen ein. „Erst die Milch!“ lachte der Russe, „dann den Kaffee!“ Damit setzte er die Kognakflasche an den Mund und trank sie zur Hälfte leer. „Donnerwetter! Der hat einen guten Schluck!“ brummte Hillmann. Laut sagte er: „Hören Sie, Herr Kommandant, wir sollten auf der Reede ankern. Nachts legen Sie sich mit einer ganzen Anzahl von Booten längsseits und löschen, was zu löschen geht. Zum Versenken ist immer noch Zeit.“ „Väterchen, Du bist ein kluger Mann!“ lachte der Russe und nahm einen zweiten Schluck aus der Kognak¬ flasche, der diese bis zur Nagelprobe leerte. Hillmann trank eine Tasse Kaffee; die Morgenkühle schauerte wirklich durch und durch. Gott sei Dank, daß diese Russen eine so bestechliche Bande waren. Wie er diese Breiten kannte, würde heute abend Nebel einfallen. Wenn diese Seeräuber dann mit ihren Booten kamen, würde die Reede vielleicht leer sein. Der Tag dämmerte indes grau und trüb herauf. Vor ihnen hob sich Hangö immer deutlicher aus den Fluten: der Leuchtturm die Mole, dahinter die Stadt mit ihren dunklen Dächern und Türmen. Ueber dem Ganzen lag ein grauer, schwermütiger Ton. Hillmann hatte indes auf der Karte einen günstigen Ankerplatz gefunden. Er fragte, ob er hier ankern dürfe. Was¬ silij Nikolajewitsch nickte — schon etwas schweren Hauptes —, und der Anker ging in die Tiefe. Wassilij Nikolajewitsch legte sich jetzt auf die Polster des Kar¬ tenzimmers und schnarchte bald wie ein Bär. Der halbe Vormittag ging hin, nichts geschah. Nur die russischen Posten gingen träge auf und ab. Die „Rheinland“ drehte sich wie gelangweilt um ihre Ankerkette. „Ich glaube, man könnte am hell¬ lichten Tage abdampfen,“ meinte der Steuermann. „Die Schufte merken's gar nicht.“ Da kam wieder das Torpedoboot her¬ an. Es legte sich längsseits. Der Kom¬ mandant, eine zweite Ausgabe von Was¬ silij Nikolajewitsch, kam in eigener Per¬ son an Bord. Letzterer rappelte sich in
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