Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

188 außer der Löhnung das Recht der soge¬ ja sechsspännige Frachtwagen brachten nannten „Naturalfassung“ hatten und auf dieser, an landschaftlichen Schönhei¬ ihre Lebensmittel, auf die sie Anspruch ten so reichen Straße Eisen aller Art hatten, durch die bergwärts fahrenden von Eisenerz nach Steyr und führten Schiffe erhielten. Das Getreide wurde als Rückfracht wieder Lebensmittel und meist in den kleineren Mühlen Steier¬ andere Gegenstände hinein in die ein¬ marks die oft auch Bäckereibetrieb amen Gebirgstäler an der Enns. hatten, vermahlen und verbacken. Da die Fahrt auf der Eisenstraße Ein eigenartiges, fesselndes Bild muß von Steyr nach Eisenerz und zurück volle es gewesen sein, wenn nachmittags vom sechs Tage dauerte, so ist es erklärlich, Eisenfloß aus der „Schiffszug“ enns¬ daß die vielen, schönen und meist alten aufwärts begann. Zum Aufwärtsführen Einkehrwirtshäuser an der Straße zur des Schiffes dienten sehr schwere, starke Einstellung der Pferde und Wagen, zur Pferde mit breiter Brust und hohem Verköstigung und Uebernachtung der Körper. Das Schiff wurde an starken Fuhrleute sehr in Anspruch genommen Seilen gezogen. Es waren meistens vier waren. Solche, meist auch baulich unge¬ Pferde hintereinander gespannt, auf de¬ mein schöne, alte Einkehrgasthöfe waren: ren erstem ein Reiter als Lenker saß. Am Derfler und Mandl in Ternberg, Brand¬ noch heute bestehenden Schiffweg gingen stetter und Taverne in Losenstein, Schwai¬ sie am linken Ennsufer stromaufwärts ger in Großraming, Schweinwirt (be¬ bis an die sogenannte „Poig“, wo sie sonders interessant gebaut) in Küpfern, in das Schiff stiegen, mit diesem über¬ Im Moos bei Kleinreifling und meh¬ fuhren und dann am selben Tage noch rere andere ennsaufwärts dieses Ortes. bis Ternberg zogen wo übernachtet Heute aber braust der Zug durch wurde. Am nächsten Tag wurde in Gro߬ das Ennstal, die Eisenstraße ist leer raming Mittag gemacht und dann nach geworden, die schönen Einkehrgasthöfe Küpfern gefahren, wo wieder übernachtet haben wenig Gäste in ihren großen, ge¬ wurde. In Küpfern wurden die Pferde mütlichen Stuben, keine Pferde in ihren in dem heute noch bestehenden langen großen Ställen, kein lustiges Peitschen¬ Stall beim „Schweinwirt“ einem hoch¬ knallen ruft die Wirtsleute vor das interressant gebauten alten Einkehrgast¬ große Tor, kein Schlitten klingelt mehr hofe untergebracht. Am nächsten Tage vorüber und die grünen Wellen der gelangte das Schiff ans Ziel. Es wurde Enns tragen nur mehr Holzflöße auf zwar oberhalb der „Poig“ noch einige¬ ihrem Rücken. male das Ufer gewechselt, (wo, konnte ich leider nicht erfahren) meist aber ging Wer weiß, in welcher gottverlassenen der „Treppelweg“ am rechten Ennsufer. Hütte das liebe, alte Weyrerschiff ver¬ Die Ladung betrug ennsaufwärts nicht morscht und verfault ist?! Nur am viel über Hundert Zentner. Zu eben chier verträumt aussehenden Schiffweg dieser Zeit wurde im Auftrage privater beim alten Kloster Garsten wandelt hie Hammerwerksbesitzer oder von Speku¬ und da einer und sieht zu wie nach lanten, welche die ersteren mit dem Be¬ jedem Hochwasser ein Stück nach dem darfe an Roheisen versorgten — jedoch andern vom alten Treppelweg ab¬ stets nur ausnahmsweise — auch auf bröckelt und auf Nimmerwiederkehr in gewöhnlichen Holzflößen („Eisenführer“) der zornigen Enns verschwindet, gleich Eisen ennsabwärts geführt. alten Erinnerungen an jene Tage, von In jene hochbewegten Tage fällt auch denen ein lieber, hochbetagter Steyrer, die Blütezeit des Verkehres auf der der die längst entschwundene Schiffahrt alten Eisenstraße von Steyr bis Hief¬ auf der Enns mit ansah, mit feuchtem lau und Eisenerz. Zahlreiche zwei=, vier¬ Auge meinte: „War eine schöne Zeit!“ HDO

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