Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

gebaut ist. Dieser Schreiber hatte auch das Wächteramt auszuüben. Jenes Eisen nun, welches für die Weiterbeförderung nach Wien und Un¬ garn bestimmt war, wurde in zwei gro¬ ßen, gemauerten Magazinen (eines hat eine wuchtige Steinsäule) in unmittel¬ barer Nähe des „Eisenflosses“ im Hause, Ennskai 34 eingelagert. Dieses interessante Haus, mit pracht¬ säulengeziertem Hofe, heute vollem, I. Wolfartsbergers Eisenhandlung, stand zum „Eisen“ stets in inniger Bezie¬ hung. In dem Gäßchen (Eisengasse) zwi¬ schen dem Hause und der Dominikaner¬ kirche wurden durch eine Seitentüre die Eisenfässer hereingebracht; im Hofe sieht man heute noch die Oeffnungen für den Balken, um welchen das Seil zum Auf¬ ziehen gelegt wurde. Das Haus besitzt heute noch ein sogenanntes „Eisenbene¬ fizium“ von der Alpine Montangesell¬ schaft, das aus jener Zeit herrührt. Die innige Beziehung zum Eisen ist seltsa¬ merweise diesem Hause auch darin treu geblieben, daß hier der Begründer der Maschinenbaukunde, Professor Redten¬ bacher, geboren wurde. Dasjenige Eisen, welches für Steyr bestimmt war, wurde in dem berühm¬ ten, mit herrlichen Sgraffitozeichnungen geschmückten „Innerberger Getreide=Ka¬ sten“ (jetzt Museum der Stadt Steyr) ebenerdig eingelagert. Auch in dem Ge¬ wölbe des H. Steinleitner, Großfrächter am Grünmarkt, waren oft „Flossen“ eingelagert worden. Nachdem das Schiff ausgeladen war, wurde es durch Pferde stromaufwärts zum „Schiffweg“ (heute ein beliebter, chattiger Spazierweg am linken Enns¬ ufer) geführt, wo beim letzten Hause (Nr. 8) eine Art „Lände“, eine Holz¬ brücke in den Fluß gebaut war, um das Schiff für die Bergfahrt neuerdings be¬ frachten zu können. Die Schiffleute stellten ihre Pferde im Gasthofe „zum goldenen Schiff“ am Grünmarkt ein, welches zur damaligen Zeit die größte Rolle spielte und weit 187 und breit berühmt war. Die „Schöf¬ leut'“ hielten dort Mittag bei einer gu¬ ten alten Halben Wein und kräftiger Kost, wie es sich eben für Leute gehört, die stark arbeiten müssen. In diesem Gasthause fanden auch die sogenannten „Jahrtage“ statt, die mit großen Fest¬ lichkeiten, Gesang und Tanz verbunden waren. Seit dem Jahre 1868 nach dem Bau der Rudolfsbahn hat dieser Ver¬ kehr aufgehört. Seit dieser Zeit hat auch das alte Schiffswirtshaus den Krebsgang eingeschlagen, da viele aus¬ wärtige Boten ausblieben, welche mit dem „Weyrerschiff“. Verkehr hatten. (Heute ist das ehemalige Schiffswirts¬ haus überhaupt kein Gasthaus mehr.) Da viele Leute aus dem Ennstale die Schiffe als Reisemittel benützten, blüh¬ ten auch die alten hübschen Gasthäuser am Grünmarkt („Elefant“, „3 Hufeisen“. Greif“, „Grüner Kranz“, „Bär“ und andere) mächtig empor. Bergwärts wurde Schmalz, Gemüse, Obst und andere Gegenstände, welche in Steyr gemacht, oder gekauft wurden, verladen, insbesondere aber Getreide, welches in den sogenannten „Traid¬ kasten“ eingelagert war. Diese Gebäude waren von ganz besonderer Größe und Bauart. In Steyr sind noch die beiden erhalten, der „Innerbergerstadel“ von dem oben schon die Rede war und der „Traidkasten“ in der Schönau, wo seiner¬ zeit oft 40 bis 50 Tausend Zentner Ge¬ treide eingelagert waren. Solche ehe¬ malige Getreidespeicher stehen noch: in Weyer (heute Schöntalers Möbelfabrik) Großreifling, Weißenbach und Hieflau. Da der „Kaiserlichen Innerberger Hauptgewerkschaft“ außer der Schiffahrt und den Eisenwerken auch viele große Waldberge in Weyer, Weißenbach, teirische Lausa, Großreifling, Hieflau, Eisenerz, Trofayach und Radmer besaß, (alles dies samt Waldbesitz wurde um 18 Millionen Gulden an die Alpine Montangesellschaft verschleudert) so be¬ saß die Gewerkschaft viele Angestellte, Berg=, Eisen= und Holzarbeiter, welche

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