Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

186 ständiger und unternehmender Mann, nahm den Plan, den Ennsfluß von Hieflau aus für die Verfrachtung nutz¬ bar zu machen, wieder auf, ließ nach seinen Angaben eigens gebaute Zillen und einen, für deren Beförderung ge¬ eigneten Wagen bauen und betrieb nun die Schiffahrt von Hieflau aus. Bis Weißenbach führte von Steyr aus der Treppelweg, auf dem die Pferde gingen, welche die Zillen strom¬ aufwärts zogen und von Weißenbach stromaufwärts wurde die Zille auf dem obgenannten Wagen auf der Straße nach Hieflau geführt. Dieser Betrieb blieb bis zur Um¬ wandlung der „Aktiengesellschaft der Innerberger Hauptgewerkschaft“ in die „Alpine Montan=Gesellschaft“. Da diese den Betrieb der Eisenwerke in großen Zentralwerken vereinigte, wurde der Hammerbetrieb in den ehemals ärari¬ schen Werken längs des Ennsflusses und seiner Seitentäler aufgelassen und da mittlerweile die Rudolfsbahn gebaut und für die Eisen= und Lebensmittelbe¬ förderung benützt wurde, so wurde die Schiffahrt gänzlich eingestellt. Außer der „Hauptgewerkschaftlichen Zille“, welche wöchentlich nur einmal die Fahrt nach Steyr unternahm, ver¬ kehrte Montag, Donnerstag und Sams¬ tag von Küpfern (Kastenreith) aus das „Weyrerschiff“, welches in verschiedenen Ortschaften, wie Reichraming, Ternberg anlegte, während die erstgenannte Zille von Küpfern an bis Steyr nicht mehr hielt, so daß man das „Weyrerschiff“ sozusagen als „Lokalschiff“ bezeichnen könnte, welches auch tatsächlich oft als Reisegelegenheit stromabwärts benutzt wurde. Der Beginn und das Ende des Schiffsbetriebes waren hauptsächlich vom Wasserstande beeinflußt. War dieser günstig, so wurde im Sommer und Win¬ ter gefahren, freilich verhinderte Eis¬ treiben und Wassermangel in dieser Jah¬ reszeit häufig die Fahrten, so daß oft ein längeres Aussetzen notwendig wurde. Die Schiffe*) waren ziemlich groß, hatten vier Ruder und vier bis sechs Mann (Schiffleut', Schiffknecht' genannt) als Bedienung. Die Ladung war vorne und rückwärts im Schiffe verstaut, der Mittelraum war für die Pferde be¬ stimmt, die bei der Rückfahrt ennsauf¬ wärts das Schiff ziehen mußten. Nach den Aussagen der wenigen, welche diese Schiffahrt sahen, war es ein herzerfreu¬ endes schönes Bild, wenn das Schiff die grüne Enns hinabfuhr, gelenkt von den stattlichen Schiffleuten, vollbepackt mit einer großen wertvollen Ladung von „Flossen“ (Roheisen), Schmiede=, Streck¬ eisen und „Mog“ (?) wie der feinste und härteste Stahl genannt wurde. In¬ mitten dieser Last, die talwärts oft 300 bis 400 Zentner schwer war, standen die großen, überaus kräftigen „Pinz¬ gauer“ die den Schiffszug bewältigen mußten. Auch das „Weyrerschiff“ führte stromabwärts stets Eisen und Stahl welche Produkte auf der Eisenstraße bis Küpfern mit Wägen geführt wurden. Hatten die Schiffe Steyr erreicht, so landeten sie stets am Ende der „Eisen¬ gasse“, neben der Dominikanerkirche am linken Ennsufer, wo das sogenannte „Eisenfloß“, ein großes, aus dicken, starken Bäumen, mit eisernen Ketten an der ehemaligen Stadtmauer angehängtes Floß aus Lärchenholz verankert war Dies war der Hafenplatz sämtlicher Schiffe, welche die verschiedenen Frachten brachten oder wegführten. Hier legten alle, flußauf= oder abwärts fahrenden Schiffe an, um entweder ein= oder aus¬ zuladen. Hier war auch ein Mann, welcher diese Eisengattungen in Empfang nahm und „Eisenheber“ hieß. Auch ein Schrei¬ ber war da, der darüber Buch führte und seine Kanzlei in dem kleinen „Stöckel“ hatte, das an die Kirche an¬ *) Die Gestalt dieser Schiffe zeigt das ehemalige Wirtsschild des Gasthofes „Zum goldenen Schiff“ in Steyr, das leider von da entfernt und gegenwärtig am Hotel gleichen Namens in Linz, Landstraße angebracht ist.

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