Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

18. Der Festtag, der 85. Geburtstag unseres Kaisers, wurde in allen Kreisen der Stadt Steyr mit besonderer Herz¬ innigkeit begangen. Früh morgens be¬ gann die allgemeine Beflaggung der Häuser. Um halb 8 Uhr früh wurde in der Vorstadtpfarrkirche der Festgottes¬ dienst durch Hochw. Pfarrer Schließleder mit Assistenz für die Garnison abgehal¬ ten. Demselben wohnten Se. Hoheit Prinz Ludwig v. Sachsen=Coburg=Gotha, Oberst Jungl, Kommandanten der Einj.¬ Freiwilligenschulen Militär=Stations¬ kommandant Hauptmann Högler und viele andere Offiziere, ferners Vize¬ bürgermeister Gründler, Offiziere des Bürgerkorps, die Einjährig=Freiwilligen und die gesamte dienstfreie Mannschaft der hier stationierten Truppen nebst vielen Verwundeten bei. — Um 9 Uhr begann in der Stadtpfarrkirche der von Seiner Gnaden Kanonikus Strobl unter Assi¬ stenz zelebrierte Festgottesdienst, welchem die sämtlichen Spitzen und Vorstände so¬ wie Beamten der k. k. Behörden und Aemter, Bürgermeister Gschaider, die Vertreter der Staats=Oberrealschule, der Fachschule für Stahl= und Eisenbear¬ beitung, des Roten Kreuzes der Bür¬ ger= und Volksschulen, des Bürgerkorps, der Freiwilligen Feuerwehr, des Militär¬ Veteranenvereines, der Waffenfabrik, der Firma Reithoffers Söhne, und anderer Unternehmungen und Körperschaften bei¬ wohnten. Am Schlusse der beiden Fest¬ gottesdienste wurde die Volkshymne ge¬ — ungen. Nach dem Militär=Festgottes¬ dienste wurden in den beiden Kasernen und den übrigen Unterkunftsstätten der Mannschaften interne Kaiserfeiern abge¬ halten, wobei die betreffenden Komman¬ danten an die Mannschaften erhebende Ansprachen hielten. Besonders schön war die Bürgerschule, mo das Wache¬ detachement bequartiert und der Vor¬ raum und das Stiegenhaus zum ersten Stockwerke in einen prächtigen grünen Hain verwandelt war, welchen eine Kaiserbüste schmückte. — Um 1 Uhr fand im Großgasthof „Steyrerhof“ das Fest¬ essen des Offizierskorps mit 50 Gedecken statt, wozu auch der Bezirkshauptmann Dr. von Kölbl, Bürgermeister Gschaider, Major Ortler und Verwalter Juch der österreichischen Uebernahmskommission in der Waffenfabrik geladen waren. Als Major Schneider, Kommandant der Ein¬ jährig=Freiwilligenschule, den Kaisertoast ausbrachte, wurden im Artilleriekasernen¬ hof 24 Kanonenschüsse gelöst. In der evangelischen Kirche in Steyr fand anläßlich des Geburtstages des Kaisers vormittags 9 Uhr, ein Gottes¬ 177 dienst statt. Das an diesem Tage gesam¬ melte Opfer wurde dem k. k. evangel. Oberkirchenrat für Kriegsfürsorgezwecke zur Verfügung gestellt. Ein Frauenausschuß mit Amalie Lang an der Spitze, hatte es unternommen im Kasino für die im Reservespital und den anderen Pflegestätten in Steyr un¬ tergebrachten Verwundeten eine Kaiser¬ Geburtstagfeier mit Verabreichung einer Jause zu veranstalten, welche Unterneh¬ mung glänzend gelungen ist. Den großen Saal und Vorraum füllten 470 Pfleg¬ linge aus. Als Festgäste waren erschienen Ihre Hoheiten Prinz und Prinzessin von Sachsen=Coburg und Gotha, Bezirks¬ hauptmann Dr. v. Kölbl, Bürgermeister Gschaider, Kanonikus Strobl, Pfarrer Schließleder, zahlreiche Offiziere die Spitalärzte sowie zahlreiche angesehene Persönlichkeiten aus verschiedenen Kreisen der Stadt, dazu eine große Zahl von Frauen und Fräuleins. Chefarzt Doktor Wenger eröffnete die Feier mit einer herzlichen Begrüßungsansprache, den er¬ schienenen Festgästen für ihr Kommen dankend und an die Soldaten herzer¬ hebende warme Worte über die Bedeu¬ tung des Festtages richtend. Zum Schlusse seiner Ansprache heftete er zwei Verwundeten die ihnen verliehenen kai¬ serlichen Auszeichnungen an die Brust, und zwar dem Unterjäger Anton Rohr¬ hofer des 10. JB. die bronzene Tapferkeitsmedaille und dem Zugsführer Roman Ahrer des 40. FKR. die sil¬ berne Tapferkeitsmedaille 2. Kl. Redner chloß mit einem dreifachen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, in welches die Anwesenden begeistert einstimmten, wo¬ rauf die Volkshymne gesungenwurde. Sodann brachte Elli Reithoffer ein von Professor Goldbacher verfaßtes Festge¬ dicht zum Vortrage, wofür sie warmen Fünfundachtzig Jahre! In dem alten Kaiserschlosse Wo die schönen Bronnen rauschen, Möcht' ich heute gerne weilen Und den vielen Stimmen lauschen, jenen Millionen Stimmen Die aus Oesterreichs, Deutschreichs Landen Heute wie ein Sturm von Tiebe Um den greisen Herrscher branden Nie, so lang durch Aethers Räume Uns're alte Erde stürmet, Hat auf ein Haupt je das Schicksa So viel Schweres aufgetürmet! Das ist schwerer noch zu tragen, Als die Last der Greisenjahre Doch ein Gott verlieh, zu dulden Ihm die Kraft, die wunderbare Seine gütigen blauen Augen Teuchten treu und ungebrochen! Immer hat zum Wohl der Völker Sein erlauchter Mund gesprochen. 12

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