Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

172 trägern vom Militär Aufstellung nah¬ men und Bürgermeister Gschaider mit weithin vernehmbarer Stimme vom Rat¬ hausbalkone aus, eine markige, begei¬ sternde Ansprache hielt. In schwungvollen Worten feierte er die herrlichen Siege der verbündeten Armeen vor Warschau und Iwangorod und gedachte dankbar des ruhmvollen Heldenmutes und der unvergleichlichen Tapferkeit derselben, mit der sie todesmutig den Feind nicht nur im Norden, sondern auch im Süden der Monarchie bezwingen. Redner schloß mit einem dreifachen Hoch auf unsere hel¬ denhaften verbündeten Truppen, in wel¬ ches die Menschenmenge, die den Stadt¬ platz füllte, brausend einstimmte. Wei¬ tere von der Menge mit stürmischer Be¬ geisterung aufgenommene dreifache Hoch¬ rufe brachte der Redner auch auf die beiden verbündeten Monarchen Kaiser Franz Josef und Kaiser Wilhelm aus, worauf die Musikkapelle die Volkshymne und die deutsche Kaiserhymne spielte, wo¬ zu kräftig mitgesungen wurde. Unter den Klängen des Radetzkymarsches trat hier¬ seinen Marsch auf der Lampionszug durch die reichbeflaggten Straßen der Stadt und Vorstädte an, begleitet von vielen Hunderten singenden und jubeln¬ den Menschen, welche an den verschie¬ denen Kreuzungspunkten von der Bevöl¬ kerung mit Jubel begrüßt wurden. Viele Fenster waren beleuchtet. Das rege freu¬ dige Treiben in den Straßen dauerte bis zu später Abendstunde an. In Steyr starb die Fabriksschlossers¬ im tochter Marie Pimershofer Alter von 17 Jahren. 6. Von FML. Trollmann erhielt Ju¬ folgende i. P. lius Mann, Beamter * Feldpostnachricht: „Feldpostamt * 26. Juli 1915. Verehrter Herr! Empfan¬ gen Sie meinen besten Dank für Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 22. d. M., sowie lle Ihre guten Wünsche, wie nicht minder für Ihr Gedenken im Gebet. Auf Gottes Hilfe und unsere Kraft, die für eine gerechte und hehre Sache einge¬ setzt, vertrauend, wird es uns hoffentlich gelingen, unserem Vaterlande ein dau erndes Zukunftsglück zu erringen.“ In vielen Mitteilungen von in russi¬ befindlichen scher Kriegsgefangenschaft Klagen schon Oesterreichern klangen durch, daß es denselben in ihren Exilen nicht am bester ergeht und daß ihnen ein Aufenthalt in einer heimischen Straf¬ als 450 anstalt fast angenehmer erschiene, jener im feindlichen Lande. Dies leuchtet auch wieder aus dem Inhalt einer Karte. hervor, die Fähnrich Ferd. Gründler, Sohn des Vizebürgermeisters Ferdinand Gründler in Steyr unterm 27. Juni aus Perowsk an seine Eltern geschrieben hat. Er schreibt: „Liebe Eltern! Bin gesund. Habe zwei Telegramme von Euch be¬ kommen, für die ich vielmals danke. Leute, die in der „Sommerfrische Gar¬ ten“ wohnen, haben es besser als wir. Nachrichten, Gott sei Dank, günstig. Hof¬ fentlich wird bald Schluß. Die besten Grüße an alle Bekannten. Euer Ferdl.“ Im Krankenhause St. Anna in 7. Steyr starb an diesem Tage der Hilfs¬ arbeiter Michael Winter im Alter von 49 Jahren. Bei der vormittags stattgehabten Musterung der in Steyr ansäßigen, nicht in der Waffenfabrik beschäftigten Land¬ turmpflichtigen der Jahrgänge 1872 bis 1865 wurden 52 Prozent der Vor¬ geführten für geeignet befunden. 8. Der Kaiser hat mit allerhöchster Entschließung vom 16. Juli 1915 die Ernennung des Professors der theologi¬ schen Diözesanlehranstalt in Linz Doktor von Johann Gföllner zum Bischof Linz vollzogen. Er ist als Nachfolger Dr. Hittmairs der neunte Bischof von Linz. Der neue Bischof ist am 17. De¬ zember 1867 in Waizenkirchen als Sohn Sattlermeisters geboren. Seine eines Mutter stammte aus Prambachkirchen. Vater und Mutter starben früh, ersterer im 37., letztere im 40. Lebensjahre. Als Zieheltern nahmen sich des jungen Gföll¬ ner Franz und Marie Aichinger in Wai zenkirchen an. Der junge Gföllner kam 1879 in das Knabenseminar und Gym¬ nasium auf dem Freinberge und legte die Maturitätsprüfung mit derartig glänzendem Erfolge ab, daß er nach Rom gesendet wurde, um als Zögling des Germanicums an der Gregoriana die philosophischen und theologischen Studien zu vollenden. Als Doktor der Philoso¬ phie und Theologie kehrte Gföllner, der am 28. Oktober 1893 zum Priester geweiht worden war, in seine Heimat zu¬ rück. Er wurde 1894 Kooperator in Mat¬ tighofen, 1895 Erzieher der Kinder des Erzherzogs Karl Stephan in Pola, 1896 Kooperator in Wels, 1897 Professor der Religionslehre am Petrinum und 1909 als Nachfolger des Bischofs Dr. Hittmair Professor der Pastoraltheologie am Lin¬ zer Priesterseminar. 1910 erfolgte seine 1911 Ernennung zum geistlichen Rate, wurde er Redakteur der theologischen Quartalschrift, deren Leitung er später übernahm. Er war ein Freund von Berg¬ partien. Im Jahre 1911 hatte er das sich bei der Besteigung des Unglück, Breithorns den rechten Arm zu brechen.

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