Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

144 und der Feilenhauer und Hausbesitzer Bach in russische Kriegsgefangenschaft. Nach langem Leiden starb in Steyr die Kontoristin Pauline Lettner im jugendlichen Alter von 21 Jahren. 29. Der Kaiser hat anbefohlen, daß die Allerhöchste belobende Anerkennung für vorzügliche Dienstleistung vor dem Feinde bekanntgegeben werde dem Ober¬ leutnant d. R. Dr. jur. Alois Gro߬ mann der Tramdivision 14. Ernannt wurden beim 42. FKR. zum Oberleutnant i. d. R. der Leutnant i. d. R. Richard Berger; zu Leutnants i. d. R. die Fähnriche (Kadetten) i. d. R. Oskar Voith, Hans Maschke, Leopold Roth, Theodor Gröschl. 30. Das Fest der silbernen Hoch¬ zeit feierte das Ehepaar Schmidin¬ ger in Steyr. Schmidinger ist Maschi¬ nensteller in der Oest, Waffenfabrik u. Hausmeister im Gesellenvereinshause. Am gleichen Tage feierte Karl Hör¬ wertner, Beamter der österr. Waf¬ fenfabrik und Hausbesitzer, mit seiner Gattin im engsten Familienkreise die Fei¬ er seiner vor 25 Jahren erfolgten Ver¬ ehelichung. An Stelle des verstorbenen Gemeinde¬ vorstehers von Garsten, Josef Schwein¬ chwaller, wurde an diesem Tage für die restliche Funktionsperiode der Oeko¬ nomiebesitzer Franz Brandstätter, vulgo Sandbauer in Garsten, zum Ge¬ meindevorsteher von Garsten gewählt und hat dieser auch gleich die vorge¬ schriebene Angelobung geleistet. Der neue Gemeindevorsteher wirkte schon viele Jahre verdienstvoll im Gemeinde=Aus¬ chusse sowie in verschiedenen Körperschaf¬ ten und Vereinen und erfreut sich infolge eines guten Wesens und freundlichen Benehmens der größten Achtung aller Gemeinde=Angehörigen sowie auch aller jener, die im amtlichen oder privaten Verkehre mit ihm stehen. In Steyr starb an diesem Tage der Fabriksarbeiter Leopold Suchomel im Alter von 64 Jahren. Ein schwerer Schlag hat die verehrte Familie Dr. Spängler in Steyr ge¬ troffen. Durch den ehemaligen Steyrer Kaufmann Alfred Mayer in Zürich, welcher bisher die Korrespondenz mit dem bei Kriegsbeginn in französische Zi¬ vilgefangenschaft geratenen Sohne Dr. Spänglers vermittelte kam Rechtsan¬ walt Dr. Hermann Spängler die er¬ chütternde telegraphische Nachricht zu daß sein Sohn Hermann im Frem¬ den = Konzentrations =Lager Konvent de Corbara auf Ile Rousse, Korsika, nach dreiwöchentlichem Krankenlager gestor¬ ben ist und schon am 14. Mai beerdigt wurde. Hermann Spängler jun., ein braver, fleißiger und talentierter junger Mann, der nunmehr in seinem 23. Le¬ bensjahre stand, maturierte an der Stey¬ rer Realschule im Jahre 1910 und wid¬ mete sich dem Handels=Hochschulstudium, absolvierte den Abiturientenkurs an der Handelsakademie in Wien, besuchte nebst¬ bei juridische Vorlesungen an der Uni¬ versität, und wandte sich dann, um auch eine Sprachkenntnisse zu erweitern, der Praxis in Großhandlungs=Häusern in London und Paris zu. Der Ausbruch des Krieges überraschte ihn so in Fein¬ desland und er wurde, schon auf der Abreise begriffen, in Gefangenschaft ge¬ etzt. Was der junge Mann als in Frankreich „Internierter gelitten, geht aus einem unzensurierten Briefe hervor, den er geschrieben und der auf Um¬ wegen in die Hände seines Vaters ge¬ langte. In diesem, vom 20. März 1915 datierten, an eine Cousine gerichteten Briefe heißt es: „Du wirst erstaunt sein, von mir ein Lebenszeichen zu erhalten, denn ich bin noch am Leben, wenn auch unter sehr traurigen Verhältnissen. Wir dürfen leider nur sehr selten schrei¬ ben. Es gibt sich gerade jetzt eine Ge¬ legenheit, einen Brief durchzuschmug¬ geln, und will ich dieselbe benützen, um euch den wahren Zustand meiner Gefan¬ genschaft zu schreiben. Da ich fürchten muß, daß der Brief in die Hände der französischen Behörden fallen könnte, adressiere ich ihn an dich, um meinen Namen nicht nennen zu müssen und ste¬ nographiere ich, damit man meine Schrift nicht kennt... Wir sind hier 720 Gefangene zusammengepfercht, sind sehr schlecht untergebracht und haben sehr wenig zu essen. Ich kaufe in der Kantine sehr wenig, da die Leute einerseits über¬ mäßig teuer verkaufen, anderseits in sehr barscher Weise mit uns umgehen. Ich bin daher gezwungen, mich mit Was¬ sersuppe und einem Stück Brot zu be¬ gnügen und wäre daher sehr froh, wenn ich aus der Heimat ein kleines Paket mit Wurst, Schokolade und sonstigen E߬ waren erhalten würde, es sei denn, es besteht Aussicht, daß der Krieg bald zu Ende kommt und ich dadurch aus diesem Elende erlöst werde. Es ist ein Wunder zu nennen, daß ich noch gesund bin, aber die Hoffnung hält mich noch aufrecht, denn einmal muß es doch zu Ende gehen. Wie froh wäre ich, wenn ich in dieser Kriegszeit bei euch sein könnte und zu dem herrlichen Wer¬ ke persönlich beitragen könnte. Leider war es mir nicht vergönnt, zur rechten

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