Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

* 71 worden, ob grausam oder gerecht — die Auch der Ketzerrichter ist von Rüh¬ Geschichte hat darüber zu urteilen. rung übermannt. Die reuigen Bekehrten schleppten sich Er nähert sich den noch weniger vom mit dem Kainszeichen bis an ihr Ende Feuer beleckten Holzstößen. durch die Welt gemieden und ver¬ — „Gnade den Reuigen,“ ruft er den achtet. Waldensern zu. Ihr Schicksal teilte der Adelwanger. „Gottes Gnade mit euch selbst,“ tönt Verachtet und gefürchtet, lebte er ein¬ es ihm entgegen und schmerzlich bewegt sam, erfüllt von Haß gegen die ganze tritt der Mönch zurück und betet für Welt, von dem Sündenlohn seines Ver¬ die armen Sünder. rates noch einige Jahre. Man fand ihn Der menschlichen Gerechtigkeit ist Ge¬ eines Tages erhenkt in seinem Häuschen nüge geschehen, wenige Stunden später in Ennsdorf. ist alles vorbei — kein Waldenser ist Oswald, der Krämer, und seine Frau mehr in den österreichischen Landen. Die Katharina duldete es nicht länger an der letzten, ohnehin schon halb erstorbenen Stelle, wo jeder Stein ihnen die ent¬ Flammen, die noch aus dem Holze her¬ setzlichen Dinge ins Gedächtnis rief. vorzüngeln, verlöscht ein eben beginnen¬ Sie verkauften ihr Hab und Gut der Regen und vermischt die Asche der und gingen nach Preußen, wo deutsche „Sünder“ mit jener des Holzes und Ansiedler gesucht wurden. düngt den Boden der Wiese, auf daß Sie haben dort unter Müh und flei¬ wahr bleibe der ewige Wechsel der Na¬ ßiger Arbeit ein stilles Heim gefunden tur: „Aus dem Toten das Leben; be¬ und das Geplauder einer Schar fröh¬ denke o Mensch, daß du Staub bist!“ licher Kinder milderte mit der Zeit den Was ist noch weiter über die Wal¬ Schmerz über den Verlust, den ihnen denser in Stadt Steyr zu sagen? die Waldenser verursacht. wo das Die Wiese aber, Nichts! Es gab ja keine mehr! Wie Strafurteil vollzogen worden der Arzt ein Geschwür am Leibe des war, heißt heutigen Tages Menschen entfernt, so waren die Wal¬ noch der „Ketzerfreythof“. denser vom Staatskörper weggebrannt Ihr Glumen, ihr Vöglein ... Die teuere Mutter ich schmerzlich beweine, Ihr Blumen, ihr Döglein im Frühlingshaine! Euch band sie zu Sträußchen — Euch brachte sie Futter, Die kindlich erfreute Doetenmutter ... Und sie, die so freudig zu Euch gekommen, Sie hat mir der grausame Tod genommen! Dom Frühling getrennt durch wenige Wochen, Dies treueste Herz ist jählings gebrochen. Nun nehmet den Verwaisten in Eure Gemeine, Ihr Blumen, ihr Döglein im Frühlingshaine! Franz Jos. Zlatnik.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2