70 „Auf Wiedersehen im Himmel,“ schrie die junge Frau in ihrer Verzweiflung den ihr im Gewühle entschwindenden Eltern nach. „Ja, auf Wiedersehen da oben,“ mur¬ melte Peter Vogelmayer mit kreide¬ bleichen Lippen, während er seine Frau im Weitergehen stützte und zärtlich an sich drückte. * Noch heute ist der Ort, wo das Glau bensfeuer entzündet wurde, eine stille, ruhige Wiese in der Ortschaft Kraxen¬ tal, damals Trüxental genannt.*) Wohl wenige der heutigen Bürgen und Einwohner der schönen Stadt Steyr ahnen das schreckliche Schauspiel, das sich am Tage nach dem Urteilspruche ab¬ gespielt hat. Die Wiese war eingezäunt worden und schon früh am Morgen durch Sol¬ daten abgeschlossen. Riesige Holzstöße standen in der Mitte aufgerichtet und Zündmaterial lag in Hülle und Fülle bereit. Unabsehbar war die Volksmenge, die sich zu dem grausigen, den rauhen Sitten der damaligen Zeit entsprechenden Schau¬ spiele eingefunden hatte. Der Tag war regnerisch und trübe ein rechtes Armensünderwetter, und Frauen und Männer hüllten sich frö¬ stelnd in die Mäntel, oder zogen die Kapuzen fester über den Kopf. Nach langem Harren nahte endlich der traurige Zug. Voraus und in den Flanken Soldaten, dann der Stadtrich¬ ter Thomas der Lueger mit den Genann¬ ten, hinter diesen Priester mit den be¬ kehrten Waldensern, die alle mit e — *) Wiese und Haus in Orrach gehören heute dem Gärtner Herrn Franz Fährlinger. Diese Wiese war bis vor nicht langer Zeit protestantischer Friedhof, also, we „Retzer“ verbrannt wurden, sollten auch in Hinkunft „Aetzer“ begraben werden, das war wohl die Schlu߬ folgerung damaliger hoher Behörden. Haus und Wiese dürften einst Besitz des Klosters Garsten gewesen sein. Alle alten, glaubwürdigen hist. Quellen bezeichnen den „Retzerfrepthof“ als Verbrennungsort der Waldenser. Naiv ist es daher, die sogenannte „Bruder¬ wiese“ nicht weit davon, nur darum als Verbrennungsort der Waldenser bezeichnen zu wollen, weil die Waldenser sich „Bruder“ hießen. Nach dem Geiste der damaliger Zeit würde der Ort, wenn dort die Waldenser verbrannt einem Kreuz am Rücken versehen waren, und endlich beiläufig hundert Walden¬ ser, die es verschmäht hatten, ihrer Ueberzeugung untreu zu werden. Voran Herr Peter Vogelmayer, seine weinende Frau führend, dann Wilhelm von Blüburg und die anderen Vorsteher der Gemeinde. Sie waren ohne Fesseln, wozu denn auch diese Armen noch binden, da gab es kein Entrinnen! Vor den Holzstößen angelangt, ver¬ las der Stadtrichter noch einmal das Urteil und bot den zum Feuertode Ver¬ dammten Gnade an. Sie schüttelten stumm die Häupter, dann nahmen sie herzzereißenden Abschied von einander und bestiegen freiwillig den Scheiter haufen, worauf man sie an Pfähle festband — eine unheimliche Arbeit Trompeten schmetterten, fromme Ge¬ sänge erschollen, sowohl von den Prie¬ stern, als auch den Verurteilten, dann flammte ein Holzstoß auf, ein zweiter ein dritter, und bald brannte alles lich¬ terloh. Rauch, Feuer, Wind, Jammertöne — al¬ Bitten, Gesänge, Abschiedsworte les durcheinander, wild, unheimlich, schauerlich Immer höher steigt die Flamme, die Glut wird so groß, daß sich die Nächst¬ stehenden zurückziehen müssen, um nicht vom Feuer ergriffen zu werden. Da ein dumpfer Krach, ein schreckliches Pras¬ seln — der erste Holzstoß ist in sich zusammengebrochen und begräbt die un¬ glücklichen Menschenkinder in seinem Feuerschoß. Kein Auge bleibt tränenleer, selbst die Henker schüren schweigend das Feuer. worden wären, nicht den schönen Namen Brude wiese, sondern Aetzerwiese erhalten haben. Daß au der Wiese jüngst ein paar Skelette gefunden wurden, beweist gar nichts, von den verbrannten Waldensern kann überhaupt keine Spur mehr vorhanden sein, nach so viel Jahrhunderten. Ich glaube daher der Angaben der alten, braven Historiker und nicht den beweislosen Behauptungen neuerer Nörgler Die Waldenser als Sekte sind heute noch be¬ stehend, so in Diemont (Mittelpunkt derselben ist Torré Oellice) und in Württemberg (Dorf Hinache bei Maul¬ bronn, usw.). Sie sind gut organisiert und angesehene Teute, welche an den alten Traditionen ihres Glaubens festhalten.
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