Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

mermienen der meisten Waldenser for¬ derten nur Mitleid heraus. Der Blut= und Bannrichter setzte sich. Desgleichen taten die Ge¬ nannten, während der Stadtrich¬ ter und Pater Petrus vor den Tisch traten. Der letztere wurde nun aufgefordert, den Gerichtsfall vorzutra¬ gen, und der Mönch tat dies in klarer, ruhiger Weise, hie und da aus den Büchern die Aussagen einzelner Wal¬ denser zum Beweis für seine Worte vor lesend. Obwohl vertraut mit der Sache hörte Ludwig, der Neudlinger, sehr auf¬ merksam zu und nickte zustimmend, als Pater Petrus mit den Worten schloß: „Gott, die Kirche und der Staat sind die Kläger, denn diese Verirrten verachten Gottes Gebot, die Satzungen der Kirche und sind gemeingefährlich dem Staat durch ihre Sucht, alle Menscher gleich zu machen. Auf Ketzerei und Hetzerei gegen den Staat steht im Ge¬ setz der Tod als Strafe. Nicht berech¬ tigt, hier endgiltig zu urteilen, haben wir euch, edler Herr, gerufen. Wollet ihr urteilen nach Recht und Gesetz und wie ihr es vor eurem Gewissen, Gott, der Kirche, und dem allergnädigsten Herrn Herzog gegenüber verantworten könnt!“ Der Ketzerrichter trat zurück. „Ihr habt die Anklage gehört,“ wandte sich der Blut= und Bannrichter zu den Waldensern und seine Stimme „ war streng und eisern. „Wahlt aus eurer Mitte einen Sprecher, denn nicht ungehört will ich über euch urteilen!“ Ein leises Geflüster ging durch der Waldenser Schar und darauf trat Wil¬ helm von Blüburg, aufrecht und mit Mannesmut, vor den Blut= und Bann¬ richter. Eine finstere Wolke des Un¬ muts flog über dessen Angesicht. „St. Georg, es ist schlimm, wenn der Adel nicht auf dem rechten Wege wandelt,“ sagte er stirnrunzelnd. „Ihr eid Wilhelm von Blüburg?“ 67 „Der bin ich,“ entgegnete dieser mit Würde, „und schäme mich nicht unter diesen hier —“ er deutete auf seine Schicksalsgenossen — „vor euch zu treten. Liebe Unser Verbrechen ist nicht groß mehr zu Gott und edlen Menschen haben wir nicht verbrochen!“ Und nun entwickelte er in glänzen¬ der Rede die Lehre der Waldenser, schil¬ derte die gedrückte Lage der Bürger und Bauern und schloß endlich, wiederholt vor Aufregung nach Atem ringend: „Edler Herr, der ihr an des gnä¬ digsten Herrn Herzogs Stelle hier seid, sagt selbst, was ist unsere Schuld? Wir haben nie die Abgaben verweigert und uns der Obrigkeit nie widersetzt, nur Liebe und Ordnung gepredigt und ehr¬ lich unser Brot verdient! Bedenkt das alles wohl, auf daß unser Blut nicht über euch komme!“ Der gute Eindruck, den seine frühe¬ ren Worte hervorgebracht, schwächte sich rasch durch die letzten kühnen Worte Blüburgs ab — nur demütig um Gnade bitten durfte man vor diesem Richter und sofort zeigte sich die nachteilige Wirkung. „Ei, seht, ihr führt vor eurem Richter eine gar kühne Sprache, sagte jetzt der Waldbote mit grollender Stim¬ me. „Es fehlte nur noch, daß ihr euch mit den Waffen in der Hand uns widersetztet. Wo kämen wir hin, wenn alle Menschen auf der Erde gleich wä¬ ren — der Herzog und der Bauer, der Papst und der Laienbruder? Die Obrig¬ keit lockte kein Kind vor ihren Stuhl und des Staates und der Kirche Macht verblaßte, wie der Mond vor der auf¬ gehenden Sonne. Es mag für euch diese Sache großen Reiz haben, für uns, die wir aufgewachsen sind im Glauben un¬ serer Väter und in der Ehrfurcht vor der Obrigkeit, ist das ein todeswür diges Verbrechen, was ihr da predigt bedenkt das wohl!“ Der Bannrichter schwieg und wandte sich zu dem Abt von Garsten, mit dem er dann blätterte er in dem leise sprach, — *

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