Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

64 „Verloren, rettungslos verloren,“ zuckte es um seinen bleichen Mund und er wollte unwillkürlich seinen Freunden entgegeneilen. „Gemach, gemach,“ sagte der Mönch ernst zu ihm. „Seht, hier diese Män¬ ner haben eingestanden, daß sie Wal¬ ser sind — wollt ihr noch leug¬ den nen?“ Der Wirt sah Wilhelm von Blü¬ burg mit einem Blick an, der die stumme Frage enthielt, ob es denn möglich sei, daß sie entdeckt wären? Der Edelmann erwiderte diesen Blick mit kummervollem Ausdruck und nickte dazu fast unmerklich mit dem Haupte, Vogelmayer fand daher die Angabe des Ketzerrichters bestätigt. Nochmals bäumte sich in ihm der ganze Trotz des alten Kriegsmannes, der in so vielen Schlachten für den Landesherrn gefochten, mächtig auf. Was hatte er eigentlich unrechtes getan? frug er sich. Daß er Menschenrechte verlangt, Mensch, als Ebenbild des Schöp¬ als War das ein Verbrechen? fers? Allein der Vorsitzende dieses Gerich¬ ließ ihm nicht Zeit zur langen tes Ueberlegung. „Was sinnt ihr noch?“ tönte seine strenge Stimme, ihn plötzlich aus sei ner Träumerei aufschreckend. „Habt ihr den Mut besessen, von den Lehren eurer Väter und vom geraden Wege abzu lenken, so steht es euch auch an, dies einzugestehen und reuig die Milde und Gnade des Landesherrn und des Ge¬ richtes anzuflehen! Da leuchtete es in Peters Augen auf düster und entschlossen, in unheim¬ lichem Feuer. Seine ganze Gestalt hob sich und stolz trat er an den Tisch. „Gestrenge Herren,“ sagte er mit fester Stimme, „ob ich dem Glauben meiner Väter untreu geworden bin, das habe ich allein zu entscheiden, das ist meine Sache! Aber ich leugne es nicht, Gott steh' mir bei — ja, ich bin ein Waldenser!“ Die Herren vom Gericht sahen sich vielsagend an — nur der Mönch blieb unbeweglich. „Das ist gut, Herr Peter Vogel¬ mayer,“ sagte er ruhig, „daß ihr ge¬ standen habt — wir hätten sonst wohl Mittel, einen Verstockten zum Geständ¬ nis zu bringen. „Ich fürchte sie nicht, hochwürdiger Herr,“ unterbrach ihn der Wirt, der seinen ganzen Mut wiedergefunden hatte. „Diese Mittel verfangen bei mir nicht. „Nicht darum handelt es sich,“ ent¬ gegnete der Mönch mit seiner unerschüt¬ terlichen Ruhe. „Die Sachen stehen an¬ ders. Der allergnädigste Herzog Al¬ brecht hat dieses Gericht nicht einge¬ setzt, um den Mut seiner Untertanen zu erproben, sondern um die Sünder zu strafen und die Reuigen auf die rechte Bahn zurück zu leiten. Ich frage euch demnach, insgesamt wie ihr vor unserem Richterstuhle steht: Schwört ihr ab den Irreglauben eures Lügenapo¬ stels und kehrt ihr zurück in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche?“ Ein einstimmiges „Nein“ war die Antwort „Ist das euer letztes Wort?“ fragte der Pater drohend. — Gott sei unser ar¬ „Unser letztes men Seele gnädig,“ sagte Peter Vogel¬ mayer und die andern nickten beifällig mit ernster Miene. „Dann habt ihr euch wohl mit dem Leben abzufinden,“ sagte da plötzlich Herr Thomas von Lueger, der eine der Gerichtsbeisitzer, Stadtrichter und der angesehenste der Adeligen der Stadt. „Ketzer verdienen den Tod!“ „Oho, rief Wilhelm von Blüburg mit starker Stimme und trat mit stol¬ zer Haltung vor. „Wer gibt euch das Recht, uns am Leben zu schädigen? Herzog Albrecht III. hat dieses Gericht nur zur Untersuchung über uns gesetzt Herzog Albrecht IV hat diese Voll¬ macht nicht erweitert.“ „Was soll das?“ fragte Thomas der Lueger ärgerlich. „Wollt ihr euch

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