Schon beim Neujahrsempfang hatte der Burggraf") der Waldenser ge¬ dacht, Pater Petrus ging weiter, denn er hatte die Fäden des Wirkens der¬ selben in der Stadt selbst entdeckt. Daß sich willige Werkzeuge zu dem Entdecken und Verfolgen dieser Fäden fanden, haben wir gesehen, auch daß der Adelwanger das Haupt dieser Werk¬ zeuge war. Solange dieser noch hoffen zu kön¬ nen glaubte, Katharinas Hand zu er¬ reichen, hielt er den ohnehin stark be¬ schäftigten Pater Petrus hin und ver¬ riet ihm, was ihm selbst gerade gut dünkte, verschwieg auch die Namen von so manchem Waldenser nicht, hütete sich aber, der ganzen Sekte der Waldenser selbst gefährlich zu werden, weil er fürch¬ tete, Vogelmayer, ihr Haupt in Steyr, könnte vorzeitig dem Gerichte in die Arme laufen, bevor er sein Ziel er¬ reicht hatte. Mit einer Riesenanstrengung gelang es Adelwanger, sich nach dem im vo¬ rigen Abschnitte erzählten Auftritte zu beherrschen, denn er konnte nicht glau¬ ben, daß Vogelmayer den Mut haben werde, für seine Ueberzeugung auch ein¬ zustehen. Wie ein Donnerschlag traf ihn da¬ her drei Wochen darauf die Nachricht, Oswald habe Katharina in aller Stille geheiratet. Er war während dieser Zeit im Dienste des Ketzerrichters abwesend von Steyr gewesen. Umsomehr erbost war er über den Wirt. Jetzt galt es keine Schonung mehr und der Adel¬ wanger rückte mit all seinem trau¬ rigen Wissen über die Waldenser vor dem Ketzerrichter heraus. Die Folgen davon zeigten sich nur bald. Einige Tage, nachdem Herr Peter Vogelmayer die Hochzeit seiner Tochter mit dem Krämer Oswald ausgerichtet, wurde der Wirt auf das Rathaus ge¬ *) Burggraf hieß der jeweilige Verwalter der habs¬ burgischen Güter in und um Stadt Sterr, der aber auch in der Stadt mitzureden hatte. Seine Rechte waren schwer zu umschreiben, daher es zwischen ihm und der Stadt oft zu Streitigkeiten kam. 63 rufen. Ahnungslos ging derselbe da¬ hin und war sprachlos vor Ueber¬ raschung und Entsetzen, als er in ein Gemach geführt wurde, in welchem ihn ein vollständiges Gericht erwartete. Er erkannte sogleich, was das zu bedeuten habe, und die Worte Pater Petrus: „Vogelmayer, ihr steht vor dem Ke¬ tzergericht, angeklagt der Teilnahme an der Sekte der Waldenser!“ drangen ihm wie ein Donnerschlag in die Ohren. Der Verteidigungstrieb, das Gefühl der Selbsterhaltung, das in jedem Men¬ schen wohnt, erwachte auch in ihm und machte sich geltend; er faßte sich und sagte mit bebender Stimme: „Gestrenge Herren, ich bin kein Wal¬ denser — ihr irrt!“ Pater Petrus run¬ zelte die Stirn. „Seht, es ist eigentümlich, daß wir diese Antwort fast von jedem von euch zu hören bekommen,“ sagte er grol¬ lend. „Leugnen wird euer Los nicht bessern, gesteht reuig eure Missetat, viel¬ leicht ist Rettung noch möglich. Der Herr in seiner Gnade ist unergründlich!“ Herr Vogelmayer sah ziemlich hilf¬ — los umher das Bekenntnis seiner Schuld lag deutlich auf seinen ehrlichen Gesichtszügen ausgeprägt. Da er aber durch ein Geständnis nie¬ mand bloßstellen wollte, schwieg er. Der Mönch legte dies für Trotz aus. „Trotz und Ungeberdigkeit sind die teten Begleiter der Sünde,“ sagte er nach einer kleinen Pause, „und wir wollen versuchen, eurem schwachen Ge¬ dächtnis nachzuhelfen. Führt die andern herein!“ Ein Türsteher eilte geschäftig zu einer Nebentür, die er heftig aufstieß, und wenige Worte hineinsprach. Mehrere Männer mit schreckensbleichen Mienen, die Hände gefesselt, traten in die Stube und zu seinem Entsetzen erkannte Peter Vogelmayer darunter Hinz, den Ennsdorfer Fischer, Meister Kuno, den Messerer, und Wilhelm von Blüburg.
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