Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

62 sich die Tür geräuschvoll hinter dem Manne geschlossen, und schluchzend fiel Katharina ihrer Mutter um den Hals. Herr Peter starrte finster vor sich hin, Kurt, der Krämer, und seine Frau aber traten auf die beiden weinenden Frauen zu und während die Krämers¬ frau Katharina liebkosend durchs Haar strich, legte ihr Gatte derselben ver¬ traulich seine Hand auf die Schulter und sagte wohlwollend: „Weine nicht, Mädchen, der all¬ mächtige Herr im Himmel wird alles zum Besten wenden! Du bist brav und tugendhaft, hätte ich je gegen deine Person selbst als Schwiegertochter et¬ was einzuwenden gehabt, der Augen¬ blick, da ich vorhin sah, daß du fähig bist, dein Lebensglück der Rettung dei¬ ner Eltern zum Opfer zu bringen, hätte dies Bedenken zerstreut. Nimm ihn hin, meinen Oswald — er ist ein bra per Junge und er verdient eineso brave Frau, wie du eine wirst!“ Ein freudiger Ausruf der drei Frauen folgte diesen Worten und unter Tränen lächelnd, folgte nun ein Um¬ armen und Küssen, das schier kein Ende nehmen wollte. Selbst Herrn Peter Vogelmayers ernstes Gesicht überflog ein freudiges Lächeln und er drückte stumm die Hand des braven Kurt — ein Sonnenstrahl huschte von den Fenstern vorbei, unter den wenigen Sonnenstrahlen dieses Ta¬ ges der letzte, gerade so, wie unter dem wenigen Glück des Lebens dies Glück das letzte für das Vogelmayersche Ehe¬ paar war. X. Wie schon früher erwähnt, hatte die Untersuchung gegen Waldenser in Steyr*) und bereits anfangs 1395 begonnen hatte Herzog Albrecht III. damit in Steyr den Cölestinermönch Petrus be¬ *) Die Untersuchungsakte wurden, in drei Bänden gesammelt, im Kloster Garsten aufbewährt, bei dessen Aufhebung gingen dieselben irgendwie verloren. Das wenige über die Waldenser in Stadt Sterr wissen wir nur aus kleinen geschichtlichen Quellen jener Zeit und etwaigen Ueberlieferungen. traut. Zum Glück für die Stadt Stey¬ rer Waldenser hatte man nur Angehörige dieser Sekte aus Nieder= und Ober¬ österreich zusammengeschleppt und machte ihnen in Steyr das Gerichtsverfahren. Die Hauptsache bei diesem Gerichts¬ verfahren war, wenn man gerecht ur¬ teilt, nicht so sehr die religiöse Seite, als vielmehr ihre für den damaligen Staat besonders gefährlichen Gedanken von Gleichheit und Brüderlichkeit. Dazu gesellte sich noch ein anderer wichtiger Punkt, der das Herrscherhaus betraf. Das von Rudolf von Habs¬ burg gegebene Erbfolgegesetz bestimmte, daß der älteste Sohn des Regenten der Thronerbe sei, welches Gesetz aber, un¬ klar in der Form, zu fortwährenden Streitigkeiten unter den Habsburgschen Prinzen führte. Als Herzog Albrecht III. am 29. August 1395 starb, folgte ihm sein 18= jähriger Sohn Albrecht IV., das „Welt¬ wunder“ genannt, weil er eine Pilger¬ reise nach Palästina als Pilger allein gemacht und ohne nennenswerte Fähr lichkeiten zurückgekehrt war, was da¬ mals von Höflingen als Weltwunder ausposaunt wurde. Derselbe wollte um jeden Preis im Lande Ruhe haben. Die Ruhe bedrohten aber Herzog Wilhelm, sein Vetter, der als ältester Prinz die die Wal¬ Erbfolge ansprach, und— denser Die Ruhe im Herrscherhause herzu¬ stellen gelang nach vieler Mühe, vor¬ läufig wenigstens, durch die Nachgiebig¬ keit des jungen Herzogs; die religiöse Ruhe jedoch herbeizuführen, ging nur an durch Gewalt, die freilich durch die damals herrschenden Rechtszustände voll¬ kommen begründet war. Ruhe — Ruhe des Grabes —— das war das Ziel, und das wurde erreicht. Bis jetzt war Stadt Steyr also nur der Sitz des Untersuchungsgerichtes für die Waldenser gewesen, zu dem die An¬ geklagten herbeigeschleppt wurden. Mit dem Beginne des Jahres 1397 änderte sich die Sachlage vollkommen.

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