Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

brechen müsse, jedoch meinte er ander¬ eits, daß, wenn Oswald mit Katha¬ rina verheiratet wäre, bei den einflu߬ reichen Stellungen, die der Krämer und sein Sohn im öffentlichen Leben ein¬ nähmen, der losbrechende Sturm keine Wirkung auf das junge Ehepaar werde haben können. Die Hauptfrage bleibe die, wie Katharina sich selbst zu der Sache verhalten werde und ob man ihr das Geheimnis ihrer Eltern verraten olle, oder ob es besser sei, die Heirat, wenn sie nun doch einmal stattfinden ollte, zu vollziehen, ohne Katharina über die Sachlage aufzuklären. Schließlich fügte Herr Peter noch hinzu, daß eine Sinnesänderung in reli¬ giösem Sinne bei ihm nicht zu er¬ warten sei, was Frau Elisabeth auch, schweren Herzens wohl, aber, wie man sehen konnte, aus innerster Ueberzeu¬ gung, für sich beteuerte. Der Krämer fühlte das Peinliche sei¬ ner Lage so ehrlichen, offenen Leuten gegenüber, die er trotz und alledem achten mußte. al¬ Das Vaterherz siegte doch über sich les Bedenken und so einigte man dahin, der ehelichen Verbindung ihrer ent¬ Kinder nicht weiters Hindernisse ab¬ gegenzustellen und die Sache rasch zuwickeln. Die beiden Männer schüttelten sich hierauf stumm und verständnisvoll die Hände und die Mütter sanken sich schluch¬ zend in die Arme. In diesem Augenblicke fiel es ihnen auf, daß in der Gaststube erregt ge¬ sprochen wurde. Man horchte und er kannte die Stimme des Sprechenden, und unfreiwillig zum Horchen bestimmt hörten sie den Inhalt des Gespräches das den- beiden Ehepaaren zeigte, daß es hoch an der Zeit sei, das Glück ihrer Kinder zu begründen. Sie sahen sich gegenseitig mit Blicken des Einver¬ ständnisses an und warteten den Augen¬ blick des Eingreifens in die Auseinan¬ dersetzungen draußen in der Gaststube ab und als Herr Peter erkannte, daß Ka¬ 61 tharina am besten Wege war, aus Kin¬ desliebe und um der Rettung der El¬ tern willen, dem Adelwanger am Ende doch ihre Hand zu versprechen, da über¬ mannten Zorn und Verachtung gegen den Adelwanger und die Besorgnis um das Glück eines solchen Kindes Herrn Peter. Er öffnete leise die Tür und sprach jene Worte, die vorhin erzählt wurden. Die Wirkung, die dieselben hervor¬ brachten, war eine sehr verschiedene. Ka tharina war ebenso überrascht, als er¬ schrocken, zu gleicher Zeit konnte ein aufmerksamer Beobachter aber auch auf ihrem abwechselnd blaß und rot wer¬ denden Gesichte den Ausdruck von leb¬ hafter Freude und wohl auch der Ge¬ nugtuung darüber herablesen, daß der peinliche Auftritt zu Ende sei. Der Adelwanger war sich über das Gehörte sofort klar, denn ein so durch¬ triebener Mensch wie er, errät in tau¬ send Fällen das, was offene, ehrliche Naturen nicht verstehen können, weil ihr Geist nicht jene Schärfe besitzt, die jenen eigen ist. Der Adelwanger hatte sich auch schnell gefaßt und seine Antwort auf Herrn Peters Worte verriet deutlich, daß er sein Spiel noch nicht verloren gab. Er richtete sich mit dem ganzen Stolze, der noch in seiner erbärmlichen Na¬ tur wohnen konnte, auf, trat dicht ne¬ ben Herrn Peter Vogelmayer hin und indem seine Augen förmlich Funken des tödlichsten Hasses sprühten, sagte er mit vor Wut heiserer Stimme: „Es ist gut, mein hochnasiger Herr Peter Vogelmayer, Wirt und Waldenser in Steyr! Euer Bescheid wird angenom¬ men. Aber merkt, was ich jetzt sage: In drei Wochen komme ich wieder, zum letztenmal; bleibt es dann bei diesem euren Bescheide — dann ist euer Ur¬ teil gesprochen!“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte der Adelwanger hinaus. Wie ein drückender Alp fiel es von den Gemütern der Zurückgebliebenen, als

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