Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

58 Auch kann ich euren Eltern Dienste lei¬ sten, die der Krämerssohn ihnen nicht wird leisten können, ich meinte also, daß ich für euch eine ganz annehmbare Partie wäre.“ „Nie,“ fiel ihm Katharina jetzt in die Rede und streckte die Hände ab¬ wehrend gegen ihn aus. „Selbst wenn ich euer falsches, hinterlistiges Wesen nicht kennen würde, könnte ich nicht die eure werden. Ich habe euch das wiederholt angedeutet, heute sage ich es euch offen heraus, weil ihr mir einen förmlichen Heiratsantrag macht, obwohl ich euch dazu nie ermuntert habe: Ich will und kann nie die eure werden! „Oho, Jungfer Käthchen,“ spöttelte jetzt Adelwanger, „das klingt sehr ent¬ schieden und ich würde mit diesem Korbe gewiß abziehen, wenn ich nicht noch ein Mittelchen in der Hand hätte, euch et¬ was zahmer zu machen, und ich sage euch, ihr werdet gerne „Ja“ sagen und mir noch danken, daß ich euch die ret¬ tende Hand geboten.“ Katharina ahnte, worauf der Adel¬ wanger abziele, allein sie wähnte ihn nicht soweit in ihre Familienverhält¬ nisse eingeweiht, daß er diese wirklich als Waffe gegen sie benützen könnte. Daher entgegnete sie so ruhig, als sie zu sein vermochte: „Ihr irrt, Adelwanger, es gibt kein Mittel, um mich gegen euch oder gegen einen andern günstiger zu stimmen mein Leben ist ehrbar und in Gottes¬ furcht verflossen und niemand kann mir nahetreten.“ Der Adelwanger sah sie jetzt voll Ueberlegenheit und Bosheit an. „Euch kann man wohl nichts an¬ haben,“ sagte er jetzt gedehnt, „wohl aber euren Eltern und deren Schande fällt zurück auf die Kinder.“ „Schweigt!“ rief Katharina ent¬ rüstet. „Ihr scheint es darauf abge¬ sehen zu haben, mich zu kränken. Wä¬ ret ihr nicht hier der Gast, ich würde euch schon längst gebeten haben, die Stube zu verlassen. Wer meine Eltern beleidigt, der beleidigt auch mich!“ „Weiß es“ meinte der Adelwanger trocken, „und eben deshalb sage ich euch, daß es nur an euch liegt, eure Eltern vor übler Nachrede und noch Schlim¬ meren zu bewahren.“ „Ich wüßte nicht, was man über Peter Vogelmayer und dessen Ehefrau Abfälliges sprechen könnte,“ sagte stolz das Mädchen. „Aber ich weiß es, Jungfer,“ er¬ widerte er bestimmt. „Habt ihr nie et¬ was von den Waldensern sprechen hö¬ ren?“ Des Adelwangers Augen ruhten durchdringend auf ihrem Antlitze. Seine Blicke verwirrten Katharina, die bei dieser Frage nur mit äußerster Anstren¬ gung ihre Fassung bewahren konnte. „Was soll diese Frage?“ agte sie, ohne ihn anzublicken. „Ich verstehe nicht, wo ihr hinauswollt!“ „Ist sehr einfach, mich zu verstehen,“ gab er zurück. „Die Tochter eines Wal¬ densers kann das Verständnis für diese Frage wohl nicht leugnen? Wie?“ Der Ton, in welchem Adelwanger diese Worte hervorbrachte, ließ das Mädchen nicht mehr darüber im Zwei¬ fel, daß der Mann das Geheimnis ge¬ nau kenne. Die Worte waren allzu be¬ stimmt gesprochen. Katharina überkam eine plötzliche Angst, ein Grauen er¬ faßte sie vor diesem Menschen, der jetzt, wo der Ketzerrichter mit Strenge seines Amtes bereits waltete, das Schicksal ihres Vaters in Händen hatte, und nie¬ dergeschmettert von dem Eindrucke, den diese Worte auf sie hervorbrachten, ver¬ mochte sie nichts zu stammeln als: Gott — mein Gott —“ Der Adelwanger hatte die Wirkung mit Vergnügen gesehen, die seine Worte hervorbrachten. Ein teuflisches Lächeln umspielte seine Züge und er beschloß, das Eisen zu schmieden, so länge es glühte. „Ach,“ sagte er deshalb, jedes seiner Worte genau betonend, „die Jungfer versteht mich also und das ist gut, ich

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