Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

56 einigen Wochen durch Zufall den Grund deiner Geheimniskrämerei erfuhr, ver¬ — du stand ich dein Tun vollkommen wolltest mich und unsere Tochter nicht hineinziehen in traurige Folgen. Ich aber begeisterte mich für eure Lehre. Nun, Katharina ist verlobt, sagst du „Ja“, in einigen Wochen ist Hochzeit. Oswald weiß nun alles und ist edel genug, sich nicht daran zu stoßen. Un¬ er Kind ist gerettet und versorgt und wir wir, Peter — wir wollen auf uns nehmen, was der Himmel schicken wird.“ Herr Peter sah sein Weib mit tränen¬ feuchten Augen an. Er bewunderte ihre Seelenstärke und ihre Liebe zu ihm, er sträubte sich zwar im Innern selbst gegen das Opfer, das sie ihm brachte, allein er wußte, daß sein Weib eine je¬ ner Naturen war, die einen einmal ge faßten Entschluß unter allen Verhältnis¬ sen ausführen und bei denen jede Ein¬ wendung gegen einen Vorsatz denselben nur noch mehr befestigten. Er drückte daher sein Weib zärtlich an sich und sagte mit bebender Stimme: „Elisabeth — ich verstehe dich und wenn ich auch mit deinem Entschlusse nicht einverstanden bin, so weiß ich doch, daß ich ihn nicht ändern kann. Ka¬ tharina mag sich verheiraten — sobald als möglich, denn ich fürchte, der Sturm bricht eher los, als wir ahnen. — Os¬ Sie wird gesichert sein davor wald ist der Beisitzer des Kirchenstuh¬ les, ihn wird man nicht als Walden¬ ser verdächtigen — und über uns Er brach in lautes Schluchzen aus und konnte nicht weiter sprechen. Das Ehe¬ die beiden paar weinte zusammen Alten verstanden sich und verstanden auch den Ernst des Augenblicks. Sie sprachen sich gegenseitig Trost zu und schwuren, einander beizustehen im Leid, sie hatten mit der Welt ab¬ und nicht ohne Grund. — gerechnet, VIII. Katharina Vogelmayer war trotz der Zustimmung, die ihre und Oswalds El¬ tern zur Heirat erteilt hatten, nicht in der Stimmung, wie es sonst eine Braut zu sein pflegt. Wenn sie auch wußte, daß die Krä¬ merleute gegen ihre eigene Person nichts einzuwenden hatten, so war sie sich doch darüber klar, daß diese ihre Einwilli¬ gung nur unter dem Zwange der Not¬ wendigkeit gegeben hatten, weil Oswald eben nicht umzustimmen war. Sie liebte Oswald seit dem Tage, wo er mit Einwilligung seiner Eltern um ihre Hand angehalten, noch inniger als früher, denn sie verkannte nicht das Opfer, das er ihr brachte. Ob er in seiner Liebe nicht erkalten würde, wenn der Sturm losbrach, der über ihnen sich zusammenzog? Und wenn er stark blieb, durfte sie es wagen, seine Frau zu werden, und ihn vielleicht hinein¬ ziehen in das Elend, das sie vor¬ aussah? Wohl waren von Oswalds Vater als Genannter') und Oswald selbst als Kirchenstuhlbeisitzer“*) gegen je¬ den Verdacht der Waldenserei geschützt, al¬ lein würde sich das nicht bei einer Hei¬ rat mit ihr ändern? Und wenn auch nicht — durfte sie ihre Eltern gerade jetzt im Augenblicke, wo sie den Trost ihres Kindes bedurften, verlassen? War das kindlich, war das fromm, dankbar ge¬ handelt? Sah das im Gegenteil nicht eigennützig, ja herzlos aus? Sie war keine Waldenserin, o nein, gewiß nicht, das sagte sie sich selbst, aber die Eltern waren es und sie fühlte sich verpflichtet, deren Los zu teilen. Und doch! Wie wäre es schön, an der Seite Oswalds zu leben! Wie glücklich könnte sie sein! Mußte sie denn für und mit ihren Eltern büßen? Das junge Blut in ihr wehrte sich gegen aber wie, wie die traurige Zukunft — *) Der Rat der Stadt Sterr wählte mit Zunahme der Geschäfte fünfzig Personen aus der Stadt und dem Sterrdorfe zur Beihilfe. Die Namen dieser Gewählten wurden öffentlich bekannt gemacht, den Bürgern benannt. daher diese Ratsherren die Genannten hießen. Die Zahl dieser Genannten wechselte oft. **) Beisitzer in der Verwaltung der kathol. Kirchen gemeinde.

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