der sie ihre Rechnung fand — zu streiten, denn sie schien sehr dazu aufgelegt. Allein ihr Gatte mochte den Vorwurf, der aus ihren Worten deutlich herausklang, ge¬ rechtfertigt finden und schwieg. Seine Ehehälfte fuhr daher nach kurzer Pause fort: „Oswald, des Krämers am Stadt¬ platz Sohn war vorgestern schon bei mir und bat mich um Katharinas Hand. Ich wollte ihn zu dir führen, allein du bist entweder nicht zuhause, oder deine Laune ist eine derartige, daß mit dir nicht zu sprechen ist.“ „Weib,“ meinte der Wirt auffal¬ lend weich, „ich bin nicht schroffer ge¬ worden gegen euch und nicht anders, als ich früher war, aber ich habe schwere Sorgen, du magst mir's glauben.“ „O, ich weiß davon,“ fiel ihm Frau Elisabeth in die Rede. „Ich weiß mehr, als du glaubst, und deine Ver¬ schlossenheit kränkt mich.“ „Was weißt du?“ frug der Wirt plötzlich aufgeregt werdend. Frau Elisabeth trat ihrem Mann knapp gegenüber, legte ihre Hände auf seine Schultern, sah ihn mit unendlich traurigem und vorwurfsvollen Blick an und sagte leise: „Ich weiß alles, Peter, ie ist umsonst deine Geheimniskrämerei, du bist ein — Waldenser!“ „Heiliger Gott!“ war alles, was der Gatte sagen konnte, dann sank er wie niedergeschmettert in einen Stuhl. „Und was willst du nun tun, Elisa¬ beth?“ Diese Frage kam fast bebend über seine Lippen. Frau Elisabeth sah die Verzweiflung ihres Gatten, der sich offenbar bewußt war, durch seinen Uebertritt zu den Waldensern seine Familie ins Unglück gestürzt zu haben. Frau und Tochter waren Katholikinnen und er hatte vor ihnen bisher die Tatsache verbergen zu können geglaubt. Nun hörte er aus dem Munde seines Weibes, daß sie um sein Treiben wisse, und nun stürm¬ ten plötzlich alle die trüben Gedanken, die er bis jetzt gebannt, auf ihn ein. 55 Was sollte aus ihnen werden? Es schauderte ihn bei dem Gedanken; wenn der Ketzerrichter hochnotpeinlich wi¬ der die Waldenser vorging? An seiner Person lag ihm wenig, aber wovon lebten Frau und Tochter wohl, wenn man ihm sein Hab und Gut von Staatswegen einzog? Und nun erfuhr er auch noch, daß eine Tochter heiraten konnte, gut ver¬ sorgt werde, denn der Krämerssohn Os¬ wald war ein ordentlicher Mensch, der ein Scherflein im Trockenen hatte! Wie, wenn der jetzt erfuhr, der Vater seiner Braut sei ein — Waldenser? Wenn man nun gar seine Frau und Tochter mit ihm für schuldig hielt, wenn es seinerzeit zu einer Gerichts¬ verhandlung kam — und darüber war er sich im klaren, daß die Waldenser vor einer solchen standen! Diese Gedanken durchzuckten sein Ge¬ hirn und machten ihn kleinmütig und verzagt, so daß er nur fragen konnte: „Und — was willst du nun tun, Eli¬ sabeth?“ Aber Elisabeth war eine echt deutsche Frau, die sofort begriff, welche Ge¬ danken auf ihren Gatten einstürmten und wie verzagt er war, da er ihre Lage klar erkannte. Sie trat daher zu ihm, ergriff seine Hände und sagte: „Was ich nun tun will, Peter? Mann und Weib sind ein Leib!“ Er sah sie erstaunt und fragend an. „Ich verstehe dich nicht,“ sagte er. „Und ich sprach doch so klar, Peter das Weib hat dem Manne zu folgen ich bin eine Waldenserin!“ Herr Peter sah seine Gattin an, als wäre ihm ein Geist erschienen. „Was sagst du?“ stammelte er. „Das ich schon lange die Lehren der Waldenser kenne, daß ich sie billige und selbst angenommen habe, daß ich dein Schicksal teilen und als dein Weib mit dir leben und sterben will,“ schluchzte Frau Elisabeth, ihrem Gatten um den Hals fallend. „Verzeih, Peter — du täuschtest mich und ich dich. Als ich vor
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