Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

mochte, das ihm nicht lieb gewesen wäre, wenn es der Ketzerrichter gewußt hätte. „Kirche und Staat vor allem, dann erst ich.“ „Wenn ihr dabei eure Rechnung fin¬ det,“ ergänzte der Pater verächtlich. „Doch genug der Worte. Ihr sollt eure Rechnung finden. Der Herr Burggraf rühmte mir eure Erfahrenheit in Dingen, die die Waldenser betreffen. Laßt hö¬ ren, was ihr über die Leute in der Stadt hier wißt.“ Als der Adelwanger den Pater so rasch auf sein Ziel lossteuern sah, wurde ihm für seinen vorhin gefaßten Plan etwas bange, er faßte sich aber schnell und meinte: „Noch bin ich mit meinen Beobachtun¬ gen nicht zu Ende, ehrwürdiger Pater die Leute sind so schlau, so geheim¬ nisvoll „Daß ihr aber trotzdem genau wißt, daß es hier Waldenser gibt und wer sie sind,“ unterbrach ihn der Ketzer¬ richter, die Stirne runzelnd. „Haltet mich nicht mit Ausflüchten hin. Ich weiß nicht, zu welchem Zwecke ihr sie macht, ist mir auch einerlei, aber merkt euch das, Mann, kein Doppelspiel und sagt heraus, was ihr wißt.“ „Ich will es,“ lenkte der Adelwanger ein. „Nur erlaubt, daß ich heute keine Namen noch nenne — die meisten sind angesehene Bürger, erfreuen sich eines guten Leumundes und haben zahlreiche Familie. Bei vielen bin ich zwar ge¬ wiß, daß sie Waldenser sind und könnte es beschwören, aber leider nicht be¬ weisen. Es widerstrebt mir daher Na¬ men zu nennen, und Leute unglück¬ lich zu machen, die vielleicht ohne Grund von mir anstatt angeklagt, nur verdächtigt würden. Gebt mir daher 6—8 Wochen Zeit, ehrwürdiger Pater, bis ich meiner Sache sicher bin, es ist ja auch für euch mehr von Nützen, wenn die Anklagepunkte sich häufen und wenn ich diese beweisen kann.“ Der Spion hatte bei all der Demut, die er heuchelte, so fest und überzeu¬ 51. gend gesprochen, daß der Ketzerrichter unwillkürlich ihm freundlicher gesinnt wurde. Als Adelwanger geendet, schritt der Pater sinnend gegen das auf den Stadtplatz mündende Fenster der Stube und sah ein Weilchen hinaus. Augen¬ scheinlich überlegte er, was er auf diese Bitte antworten solle. Endlich wandte er sich zu dem Adel¬ wänger. „Gut,“ sagte er zwar ernst, aber nicht unfreundlich, „ich gebe euch noch acht Wochen Zeit bis zur Berichterstat¬ tung, obwohl mir der Herr Burggraf ausdrücklich sagte, daß ihr schon jetzt Auskunft geben könntet. Ich selbst liebe die Uebereilung nicht und dazu ist die Sache zu ernst, um leichtsinnig ange¬ faßt zu werden. Gott mit euch!“ Der Mönch nickte. Der Adelwanger wollte dessen Hand erfassen und küssen, allein der Pater drehte ihm den Rücken zu, so daß der Spion, sich vor Aerger über diese wegwerfende Behandlung sei¬ tens dessen, dem er wichtige Dienste leisten wollte, in die Lippen biß und rasch die Stube verließ. Ebenso rasch verließ er das Rathaus und mäßigte seinen Gang erst, als er in die „Enge“ kam. „Teufel“ dachte er, „mit dem Manne ist nicht zu spassen! Der wäre im¬ stande und ließe mich henken, wenn er wüßte, warum ich ihm heute so viel wie nichts gesagt habe. Das ist kein Herr von des Burggrafen Hof! Jetzt heißt es rasch handeln, acht Wochen nur mehr, hm, eigentlich desto besser desto eher ist sie mein!“ In diesem Augenblicke begegnete er Herrn Peter Vogelmayer, der gegen den Stadtplatz schritt. Mit der freundlichsten Miene bot ihm der Adelwanger einen Gruß und zeigte nicht übel Lust, stehen zu bleiben und mit ihm ein Gespräch anzuknüpfen. Herr Peter aber dankte wohl, schritt jedoch rasch an ihm vorüber. „Schon gut, Herr PeterVogel¬ mayer,“ murmelte der Adelwanger in¬ 4*

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2