Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

„Hm — ich verstehe, nickte der Pog¬ „Ihr meint die Sache mit den ner. Waldensern, he? Na, mische mich in derlei Dinge, bin ein guter nicht Christ, wenn auch kein Heiliger. Aber da habt ihr schon recht, die Walden¬ er gewinnen hier stark an Boden. Sol¬ len übrigens grundehrliche Leute sein und fleißig noch dazu. „Was nützt das?“ frug der Mönch und runzelte ein wenig die hohe Stirn. „In einem Staat kann nicht jeder leben, wie er will, da ginge alle Ordnung zum Kuckuck. Wo kämen wir da hin? Jeder legt sich die Bibel elbst zurecht, da gäb' es bald keinen Herzog, keinen Adel und Bürger, am allerwenigsten aber eine Kirche mehr.“ „So ist die Kunde von diesen Nar¬ schon über die Grenzen unseres ren Herzogtumes hinausgedrungen?“ frug Ritter neugierig, „denn, verzeiht, der eid kein Oesterreicher.“ ihr „Nein, da habt ihr recht,“ stimmte Mönch bei. „Bin aus Böhmen —“ der „Wohl, Herr Pater, da mögt ihr chwere Gründe haben, im Winter hie¬ zu reisen,“ sagte der Pogner. her doch nicht der Waldenser halber „Seid hergekommen? War ja schon ein Ketzerrichter da!“ „Man muß nicht auf jede Frage antworten,“ entgegnete der Mönch ab¬ weisend. — bin auch nicht neugierig, „Na 0 Herr Pater. Aber wenn's so wäre, euch nur raten und zieht wie¬ laßt heim, die bekehrt ihr nicht, ge¬ der o wenig, wie mich die Steyrer rade mit ihren Klagen beim Herzog ins Bockshorn jagen.“ „Wer weiß,“ sagte der Mönch. Der Pogner sah ihn ein Weilchen als zweifle er an dem Verstand an, Mönches. des „Ihr seid da schlecht unterrichtet,“ agte er dann rauh. „Gottes Blut, der Herzog kann dem Adeligen nicht befehlen, mit dem Bürger zu lieb¬ äugeln.“ „Hm, das wohl nicht, mein edler Herr von Pogner,“ meinte der Mönch und wieder huschte ein spöttisches Lächeln um seinen Mund. „Aber Frie¬ den mit dem Bürger halten, das könnte er doch wohl befehlen?“ „Hei, ihr habt eine scharfe Zunge, Herr Pater,“ höhnte der Pogner, „gebt acht, daß ihr nicht Schaden leidet und nehmt sie wohl in acht!“ „In Acht kann jeder Friedensstörer kommen,“ gab der Mönch mit scharfer Betonung zur Antwort. „Lieber acht¬ geben, als in Acht kommen das rate ich euch als Freund.“ „Seht doch,“ spöttelte der Pogner, ärgerlich werdend. „Ihr mischt euch schon zum zweitenmal in meine Sache und ohne jedes Recht. Daß ihr mir in eurem Kahn einen Sitz anbotet, gibt euch wahrlich noch kein Recht, mir gute Lehren zu erteilen.“ „Und wenn ich euch nur einen Sitz angeboten hätte, um dies tun zu kön¬ nen?“ frug der Mönch. „Hollah! Was soll das?“ rief der Pogner auffahrend. „Gemach, ihr sollt's gleich erfah¬ ren, edler Herr,“ sagte der Mönch gelassen. „Ich hab' da einen kleinen Auftrag an euch, den ich jetzt erledigt sehen will, ich könnte später wenig Zeit haben und für euch nicht die angenehmste Art dazu wählen können — vielleicht auch wollen!“ „An mich habt ihr was zu bestel¬ len?“ fragte der Edelmann erstaunt. „Ja an euch — ihr seid doch Hans der Pogner?“ „So nennt man mich,“ sagte der Edelmann brüsk. „Aber wie käme ein Mönch dazu, den Boten des Herrn Herzogs an den Edelmann zu spielen?“ „Nicht jeder ist, — was er scheint,“ meinte der Mönch und dabei verschob sich sein Mantel, ob absichtlich oder unabsichtlich, mag dahingestellt bleiben, und der Edelmann sah eine prächtige, goldene Kette an dem Hals seines Be¬ gleiters, an der ein edelsteinbesetztes

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