Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

„Nun?“ fragte der Mönch etwas un¬ geduldig. „Ihr solltet euch wohl rasch entschließen — es ist hier am Ufer nicht am wärmsten.“ „Wird wohl auf den Wasser auh nicht geheizt sein,“ brummte der Edel¬ mann und sagte, indem er gegen den Mönch eine Bewegung machte, die wohl eine Art von Verbeugung sein sollte „Da ich nun doch nach Steyr muß, so nehm' ich dankbar an, obwohl der Pogner*) nicht den Bürger zu bit ten hat.“ Damit stieg er in den ziemlich ge¬ räumigen Kahn und setzte sich, während der Mönch noch leise mit dem Bene¬ diktiner sprach, der Bauer das Ge¬ päck verlud und der Fuhrmann die Kette löste. Endlich saß auch der Mönch im Kahn neben dem Adeligen, der sich ein Liedchen pfiff, und sich um den Mönch nicht weiter kümmerte. Friedrich der Pogner entstammte einer edlen Familie aus Steyr, allein leicht¬ lebig und verschwenderisch hatte er sein Erbteil bald verpraßt, die Familie sah ihn mit scheelen Augen an und so hatte ihm Herzog Albrecht über sein Bit¬ ten eine Wohnung im großen Turm des Schlosses zu Steyr als Aufenthalt zugewiesen. Der Pogner war aber ein stolzer Mann, der den Bürger als Diener an¬ sah, und spielte der Stadt manchen Schabernack, umsomehr, als er sich als freier Herr betrachtete, der zu befeh¬ len hatte. Es waren schon viele Kla¬ gen an den Herzog gelangt, bis jetzt aber ohne Erfolg, denn der Junker hatte unter dem Kleinadel starken An¬ hang. Der Mönch betrachtete die exste Zeit der Fahrt seinen Nachbar sehr auf¬ merksam und wenn der Edelmann protzig wegsah und die Nase hochtrug, huschte manchmal ein Lächeln über sein sonst so *) Das Geschlecht der Edlen von Dogner besaß Dorf a. d. Enns und hatte in Haidershofen seinen Begräbnis platz. 47 ernstes Gesicht, ein Lächeln, von dem man nicht recht sagen konnte, ob es spöttischer oder mitleidiger Art war. Je¬ denfalls war ihm der Ritter nicht ganz unbekannt, wenigstens dessen Name nicht. „Wirklich, ein kalter Tag heute, sagte endlich der Mönch, um ein Ge¬ spräch zu beginnen. „Sind gewöhnlich so die Tage im Jänner, entgegnete der Ritter kurz an¬ gebunden und gab damit zu verstehen, daß er nicht gelaunt sei, sich in ein Gespräch einzulassen. Der Mönch mußte aber jedenfalls ein Vergnügen an einem Gespräch mit dem Pogner haben, denn er ließ sich nicht im mindesten durch diese Abwei¬ sung beirren und fuhr fort: „Freilich, freilich, aber wir haben heuer einen ganz ausnahmsweise stren¬ gen Winter. Mich wundert nur, daß die Enns noch eisfrei ist.“ „Mich nicht, Herr Pater,“ sagte der Edelmann kurz. „Ist ein Gebirgswas¬ ser und fließt rasch, da ist das Eis rar.“ Der Mönch nickte. „Ja, ja, die Enns ist ein Ge¬ birgswasser,“ meinte er. „Wie schön sind doch die Länderstrecken, die sie durchfließt. Schade, daß die Menschen, die an ihren Ufern wohnen, nicht auch so schön sind — im Herzen nämlich.“ Der Pogner wurde jetzt aufmerksam; der Mönch hatte das in einem ganz eigentümlichen Tone gesprochen. „Was sollt' den Menschen hier wohl fehlen?“ fragte er und wandte sich seinem Begleiter zu. „Sind gesund und kräftig, nur etwas eigenwillig. Bin auch von der Art, habt's ja gemerkt, Herr Pater.“ Der Pogner sagte die letzten Worte etwas spöttisch im Klang. „So mein ich's nicht,“ sagte der Mönch, der auf ein bestimmtes Ziel hinzusteuern schien. „Das Herz hängt immer mit der Religion zusammen und die ist manchen abhanden gekommen hierzulande. Ich hoff' zu Gott — ihr zählt nicht auch dazu!“

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