Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

35 Sssum Die Waldenser in Stadt Stepr. Historische Erzählung aus Stadt Steßrs Vorzeit von Heinrich Kematmüller. Dazu kam, daß das Ehepaar ein I. 18jähriges Töchterlein besaß, allgemein Da, wo heute am Anfang der 6 ein das schöne Käthchen genannt, „Enge“ und Aufgang zum gräflich Lam¬ Mädchen, brav und gut, das viel um¬ bergschen Schlosse in Steyr die Verkaufs¬ worben war. Gar mancher reiche Bür¬ buden sich an die Felswand lehnen, stand gerssohn blickte ihr bewundernd nach, im Jahre 1397 ein Häuschen, das trotz wenn sie die Gäste bediente, gerade so seiner Unscheinbarkeit doch von allen wie die Adeligen, die im besser einge¬ Leuten gekannt war. Es war eine lange, richteten Hinterstübchen zu zechen pflegten. schmale und ziemlich niedrige Hütte mit Trotzdem das Geschäft gut ging, hatte nur wenigen Gelassen und bildete das Herr Peter doch, außer seinen Stamm¬ Eigentum Herrn Peter Vogelmeyers, der kunden, meist nur Gäste aus der Um¬ hier unter dem Aushängschild „Zum gebung. Man hielt den Mann für einen Ochsen“ ein Wirtsgeschäft betrieb, das Geheimniskrämer und die Stadtklat¬ sich recht gut lohnte. schen, deren es überall und zu jeder Er war zur Zeit, als diese Erzäh¬ Zeit gab und gibt, wußten allerlei zu lung beginnt — also 1397 — bereits erzählen von geheimnisvollen Besuchen, ein Mann von etlichen fünfzig Jahren, die er erhielt, sowie von seiner Ver¬ mit weißem Haar und Bart, aber trotz¬ schlossenheit, wenn man ihn über solche dem war seine Gestalt noch aufrecht und Besuche frug. Am meisten nahm man kennzeichnete auf den ersten Blick den ihm in letzter Zeit übel, daß er den ehemaligen Krieger von Beruf, und tat¬ aus Kirchenbesuch vernachlässigte sächlich hatte er lange Jahre bei den welchem Grunde, das erriet man frei¬ Söldnern Herzogs Albrecht III.*) von lich nicht; da man ihn aber doch oft Oesterreich gedient. ein Kreuz schlagen sah und er die Na¬ Seine Schenke war trotz ihrer Klein¬ men der Heiligen immer recht ehrerbietig heit und ihres durchaus nicht so ein¬ aussprach, so konnte ihm auch von den ladenden Aussehens berühmt. Herr Pe¬ Neidern ein etwaiges Bündnis mit dem ter, wie er allgemein genannt wurde, er¬ leibhaftigen Gottseibeiuns nicht nachge¬ freute sich seiner Redlichkeit, seines stillen, sagt werden. ruhigen Wesens und seines stets tadel¬ Wir werden übrigens bald sehen, wie losen Vorgehens halber allgemeiner sich die Dinge verhielten. Beliebtheit und Achtung. Dabei schenkte Der Neujahrstag des Jahres 1397 er einen guten Tropfen, den die Steyrer war nicht eben vielversprechend für den auch damals schon zu schätzen wußten Beginn des Jahres gewesen. Ein hef¬ und Frau Elsbeth, seine rührige Gattin, tiger Schneesturm hatte fast den gan¬ führte eine Küche, die sich mit der zen Tag gehaust und die Einwohner Gasthofes messen manchen größeren Steyrs gezwungen, sich auf häusliche konnte. Vergnügungen zu beschränken. *) Herzog Albrecht III., mit dem Zopfe zubenannt, weil er gewöhnlich zwei lange, geflochtene Zöpfe trug, Jetzt, es mochte 9 Uhr abends sein, Bruder Herzog Rudolf IV., des Stifters, regierte vom Jahre 1565 und starb am 29. August 1595 in Laxenburg war es zwar zu Ende mit dem Schneien, bei Wien. Er war einer der tüchtigsten Regenten des allein ein eisiger Wind pfiff noch schnei¬ Hauses Habsburg, der für die Stadt Sterr sehr viel Gutes getan hat und sich auch oft in der Burg zu Sterr dend durch die beschneiten Gäßchen. aufhielt. 9

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