Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

8 weggeblasen ist. Bei solchen unerhör¬ ten Ertremen von oben ist es wohl kein Wunder, daß auch das Staats¬ leben allenthalben, insbesondere bei uns, denselben Charakter trägt. Im Jahre 1859 betrug die Bier¬ erzeugung der sechs Brauer 34.780 Eimer, ausgeführt wurden 18.101 Eimer, eingeführt 6969, es wurden daher im Stadtbezirke 23.648 Eimer konsumiert, um 2015 Eimer mehr als im Jahre 1858. 1860. Das Jahr, welches für unser armes am Rande des Abgrundes stehendes Vaterland so vieles nachzuholen und gut¬ zumachen hätte, beginnt leider schon wie¬ der mit Extremitäten, indem am Neu¬ jahrstage ein bedeutendes Hochwas¬ ser war, welches sogar den neuen Ka überschwemmte und am heil. Dreikönigs¬ tage die Leute ohne Röcke vor den Häusern saßen, ein Ei 4 Neukreuzer kostet und von Silbergeld gar keine Spur zu sehen ist, indem das Agio zu 26% steht, endlich plötzlich mit über¬ stürzender Hast an abermaligen Amts¬ organisierungen und großartigen Erspa¬ rungen, Aemteraufhebungen usw. von zusammenberufenen Vertrauens=Kommis¬ sionen beraten wird, und in Ungarn und Italien eine kühne und allgemeine Agitation betrieben wird. Bei unserer Stadtverwaltung finden vielfache Beratungen der, aus 17 Vertrauensmännern bestehenden Kommis¬ sion zur Ausarbeitung eines neuen städt. Gemeindestatuts anstatt des seit dem Jahre 1850 ohnehin so ziemlich pas¬ senden Statuts statt. Nachdem nun der Entwurf am 24. Jänner von dem Ple¬ num des Gemeinderates beraten und in wenigen unwichtigen Punkten abgeändert worden war, wurde selber der Statt¬ halterei vorgelegt. Die Autonomie der Gemeinde ist in demselben möglichst ge¬ wahrt. Die Aufwühlungen gegen un¬ ser Venetien und gegen den Papst und die offen dargelegten Pläne Napoleons und Sardiniens tragen den bedrohlich¬ sten Charakter, weshalb auch das Silber¬ 71 agio zu Ende des Jänner auf 35% stieg. Am 26. Februar wurden unsere Stadtrepräsentanten Bürgermeister Gaffl, Vizebürgermeister Anton Haller, Sekre¬ tär Aichinger, Gemeinderat Lechner und Vertrauensmann Franz Wickhoff junion von der Statthalterei zur Verein¬ barung der Gemeindeordnung nach dem von hier vorgelegten Ent¬ wurfe einberufen, welche in Linz un¬ ter dem Vorsitze des Statthalters Ed. Freiherrn von Bach drei Tage in An¬ spruch nahm und sehr befriedigend aus¬ fiel. In unserer Gemeindevertre¬ tung herrscht ein tiefes Zerwürf¬ nis, und zwar zwischen der Majorität des Gemeinderates unter der Leitung des Vizebürgermeisters Herrn Anton Hal¬ ler, Lebzelters, und des Sekretärs Herrn Georg Aichinger und dem Bür¬ germeister Anton Gaffl; und zwar wurde ein von dem letzteren einseitig mit dem Aerar wegen Uebernahme der Verzeh¬ rungssteuer der Wirte und Fleischhauer per 15.624 fl. zur Einhebung durch die Gemeinde abgeschlossener Vertrag zum Vorwand genommen, um ihm ein Mi߬ trauensvotum zu stellen, worauf er am 25. März bei der Kreisbehörde sein Resignation überreichte, welche auch am 25. April vom Ministerium angenom¬ men und der bisherige Vizebürger¬ meister Herr Halleralsinteri¬ mistischer Geschäftsleiter be stellt wurde, daher am 30. April und 1. Mai die Amtsübergabe erfolgte. Ein gar zu großes Phlegma, Witze¬ macherei, waren seine Fehler, übrigens war er die Güte selbst und hat auch für die Stadt, besonders im Schul¬ wesen und zur Verschönerung der Stadt während seiner neunjährigen Amtierung vieles geleistet, weshalb er auch beim Volke ziemlich beliebt war. Am 30. März wurde das neue Staatslotterie=Anlehen zur

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