Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

daß sich England als im Kriegszustand be¬ mit Oesterreich=Ungarn befindlich trachte, da dieses den Bundesgene sen und Frankreichs, Rußland, bekämpfe Frankreichs Feind, das Deutsche Reich, kö¬ Zugleich erklärte der unterstütze. sich niglich englische Botschafter, daß mit Rücksicht auf das Verhalten Frank¬ im reichs auch Großbritannien als Kriegszustande mit der Monarchie be¬ findlich betrachte. Hiezu wird erklärt: Die Argumentation des französischen Ka¬ binetts ist nicht bloß eine willkürliche Entstellung der Tatsachen, sondern auch eine bewußte Lüge. Wenn England beschlossen hat, die traditionelle Freund¬ chaft, die es mit der Monarchie ver¬ so leichten Herzens aufzugeben, band um die Sache Frankreichs zu vertreten, ist dies eine bedauerliche Tatsache O die aber die Monarchie nicht unvorbe¬ reitet trifft und die sie im Bewußt¬ sein, daß das gute Recht auf ihrer Seite steht, mit Gleichmut hinnimmt. Aegypten hebt seine Neutralitätser¬ klärung auf und erklärt Aegypten mit Deutschland im Kriegszustande. Abschlachtung Deutscher in Antwerpen. Ein Augenzeuge schildert die Be¬ stialität der Antwerpener in folgen¬ dem: Einzelne Trupps verwegener Ge¬ sellen drangen in die Häuser der Deut¬ chen ein, sprengten die Haustüren und türmten die Treppen hinauf. Die Tü¬ ren der Wohnungen wurden ebenfalls erbrochen. Und nun hausten die blind¬ wütigen Unmenschen wie Bestien. Frauen und Kinder, sogar Wöchnerinnen, wur¬ den an den Haaren aus den Betten gerissen, in rohester Weise mit Stöcken geschlagen und die Treppen hinunter¬ gejagt. Auf der Straße sah ich nun, wie ein Mann mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, alle nur in der notdürftigsten Bekleidung, zu fliehen suchte. Sofort scharte sich um sie eine große Menge, Belgier, die in drohen¬ der Haltung, mit Stöcken, Messern und ein¬ 74 ie Revolvern bewaffnet, auf drangen. Ich eilte dem Manne zu Hilfe und nahm ihm die beiden Kin¬ der ab. Kaum hatte ich diese auf dem Arme, da sah ich, wie ein Belgier unter dem lauten Gejohle und freneti¬ chen Beifall der anderen auf die arme Frau, die schon halb ohnmächtig in den Armen ihres Mannes lag, losstürzte und sie mit einem Messerstich tötete. Ich ließ die Kinder einen Augenblick los, * an um dem unglücklichen Manne, der zu vielen Stellen blutete, zu Hilfe kommen. Dieser war jedoch im Ge¬ 183 dränge schon verschwunden. Als ich mich wieder den Kindern zuwendete, waren diese ebenfalls durch Messerstiche ermor¬ det. Jetzt suchte ich mein eigenes Le¬ Etwa ben in Sicherheit zu bringen. 50 Schritte weiter in derselben Straße sah ich, wie aus dem vierten Stock¬ werk eines Hauses zwei Kinder im Alter von etwa drei und sechs Jahren aus dem Fenster geworfen wurden und unten mit zerschmetterten Gliedern lie¬ die Ich bemerkte, wie gen blieben. entfesselte Menge auch die Laden und der Deutschen großen Warenhäuser stürmte und sie teilweise in Brand teckte. An vielen Fensterladen sah ich die Flammen auf die Straße schlagen. Aus der Menge wurden Rufe wie „Nie¬ "„Nieder der mit den Zeppelinen! mit den deutschen Hunden!“ „Tod den deutschen Lumpen!“ laut. An den Plünderungen beteiligten sich vornehmlich auch viele Fräuen. Und bei alledem verhielt sich die Polizei voll¬ kommen passiv. Unter vielen Mißhand¬ lungen und Schlägen gelangte ich end¬ lich an den Hafen, wo ich am Ufer ein unbemanntes Segelboot erblickte. Mit drei anderen verfolgten Deutschen schwang ich mich in dieses. Nur die¬ sem glücklichen Zufall ist es zu verdan¬ ken, daß wir mit dem Leben und ohne schwere Verletzungen davonkamen. Deutschenhaß in Moskau. In Moskau herrscht weniger Kriegs¬ aber begeisterung als in Petersburg, Sämt¬ der Deutschenhaß ist sehr groß. liche deutschen Geschäfte und Etablesse¬ ments sind zerstört. Das deutsche Konsulatsgebäude und dessen Inneres erfuhren eine Behandlung, die jeder Be¬ schreibung spottet. Es stehen nur noch die nackten Mauern. Sogar die Ta¬ Ob¬ peten riß man von den Wänden. wohl ein großes Aufgebot von Schutz¬ leuten vorhanden ist, tat keiner etwas, um der Zerstörungswut Einhalt zu tun. Ein deutscher Botschaftsbeamter er¬ mordet. Ein bewährter Beamter der bisheri¬ gen deutschen Botschaft in Petersburg Hofrat Alfred Kattner, wurde vom Petersburger Mob in bestialischer Weise ermordet. Hofrat Kattner, der seit mehr als 30 Jahren im deutschen Kon¬ sulats= und diplomatischen Dienst tätig war, wurde bei der jüngst erfolgten Abreise des deutschen Botschafters und des übrigen Botschaftspersonals in Pe¬ tersburg zurückgelassen. Wie sich jetzt herausstellt, drang die mordgierige

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2