Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

178 ist die von ihm angenommene Aktion im Gange, so mobilisiert Rußland alle eine gegen Oesterreich=Ungarn gerich¬ teten Streitkräfte. (Allgemeine Bewe¬ 6 Pfuirufe.) Oesterreich=Ungarn gung, elbst hatte nur gegen Serbien mobi¬ iert, gegen Norden zu nur zwei Ar¬ meekorps, aber fern von der russischen Grenze. Die russische Mobilisierung war grundsätzlich schon beschlossen, be¬ vor sich der Zar an den Kaiser wen¬ dete. (Bewegung.) Es kommt der 31. Juli. In Wien soll die Entscheidung fallen. Noch bevor die Entscheidung in Wien fällt, kommt die Nachricht, daß Rußland seine gesamte Wehrmacht, also auch gegen uns mobilisiert. (Ungeheure Bewegung und Rufe: Unerhört!) Die russische Regierung, die aus unseren wie derholten Versicherungen wußte, was die Mobilmachung gegen uns bedeutet, no¬ 7 zu tifiziert sie uns nicht, gibt uns ihr keinerlei erklärende Aufschlüsse. 00 Erst am Nachmittag (Hört! Hört!) 200 trifft eine Telegramm des Zaren an den Kaiser ein, in dem er sich dafür verbürgt, daß seine Armee keine pro¬ vokatorische Haltung gegen uns einneh¬ men werde. Aber die russische Mobil¬ chon machung an unserer Grenze ist seit der Nacht vom 30. zum 31. Juli in vollem Gange. (Bewegung.) Wäh¬ rend wir auf russische Bitten in Wien vermitteln, erhebt sich die russische Wehrmacht an unserer langen, fast ganz offenen Grenze, und Frankreich mobi¬ lisiert zwar noch nicht, aber trifft doch, wie es zugibt, militärische Vorberei¬ — wir hatten ab¬ tungen. Und wir sichtlich bis dahin keine Reservisten zu den Fahnen gerufen, dem Frieden Euro¬ pas zu Liebe. (Bewegung.) Darum for¬ dern wir noch am 31. Juli von Ru߬ land die Demobilisierung als die ein¬ zige Maßregel, welche noch den euro¬ päischen Frieden erhalten könne. Wie Rußlands Antwort auf unsere Forde¬ noch rung lautet, wissen wir heute (Allgemeine Bewegung.) Tele¬ nicht. graphische Meldungen darüber sind nicht bis an uns gelangt, obwohl der Tele¬ graph weit unwichtigere Meldungen noch übermittelte. So sah sich, als die ge¬ tellte Frist längst verstrichen war, der 5 Kaiser am 1. August, nachmittags Uhr, genötigt, unsere Wehrmacht mo¬ bil zu machen. Sogleich mußten wir 1 stel¬ uns versichern, wie sich Frankreich unsere bestimmte en würde. Auf Frage, ob es in einem deutsch=russi¬ chen Kriege neutral bleibe, hat es uns geantwortet, es werde tun, was ihm eine Interesse gebieten. (Bewegung und Heiterkeit.) Frankreich, das zu der¬ selben Stunde wie wir mobil machte, erklärte uns, es werde eine Zone von zehn Kilometern an der Grenze re¬ Und was geschah in Wirk¬ pektieren. lichkeit? Bombenwerfende Flieger, Ka¬ valleriepatrouillen, auf reichsländisches Gebiet eingebrochene Kompagnien. Da¬ mit hat Frankreich, obwohl der Kriegs¬ zustand noch nicht eingetreten war, den Frieden gebrochen und tatsächlich ange¬ Wir griffen. (Allgemeine Bewegung.) kennt sind in der Abwehr und Not Un¬ kein Gebot. (Stürmischer Beifall. besetzt sere Truppen haben Luremburg Gebiet und vielleicht schon belgisches betreten. (Allgemeine Bewegung und Ge¬ Beifall.) Das widerspricht den franzö¬ boten des Völkerrechtes. Die sel er¬ ische Regierung hat zwar in Brü klärt, die Neutralität Belgiens respek¬ tieren zu wollen, so lange der Geg¬ ner sie respektierte. Wir wußten aber, daß Frankreich zum Einfall bereit stand. Frankreich konnte warten, wir nicht. Ein ranzösischer Einfall in unsere Flanke am unteren Rhein hätte verhängnisvoll 720 So waren wir ge¬ werden können. zwungen, uns über den berechtigten Pro¬ test der luremburgischen und der bel¬ gischen Regierung hinwegzusetzen. Das Unrecht, das wir damit tun, werden wir wieder gutmachen, sobald unser mi¬ ist. (Lebhafter itärisches Ziel erreicht Beifall.) Wer so bedroht ist, wie wir und um sein Höchstes kämpft, der darf wie er sich durch¬ nur daran denken, haut. (Ungeheure Bewegung auf allen Seiten des Hauses. Sturmischer, lang¬ anhaltender Beifall.) Wir stehen Schul¬ ter an Schulter mit Oesterreich=Ungarn. (Stürmischer Beifall.) Wir haben der englischen Regierung die Erklärung ab¬ gegeben, daß, solange sich England neu¬ tral verhält, unsere Flotte die Nord¬ küste Frankreichs nicht angreifen werde und daß wir die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit Belgiens nicht antasten werden. Diese Erklärung wie¬ derhole ich hiemit öffentlich vor aller Welt und ich kann hinzusetzen, daß, so¬ lange England neutral bleibt, wir auch bereit wären, im Falle der Gegen¬ eitigkeit keine feindlichen Unternehmun¬ gen gegen die französische Handelsschiff¬ fahrt vorzunehmen. (Lebhafter Bei¬ all.) Jetzt hat die große Stunde der Prüfung für unser Volk geschlagen, aber mit heller Zuversicht sehen wir ihr Stürmische Zustimmung.) Un¬ gegen. unsere ere Armee steht im Felde, 3000 Flotte ist kampfbereit, hinter ihnen teht das ganze deutsche Volk!

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