Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

Eichenried einen Angriff unternommen und an vielen Stellen die Grenze über¬ schritten. Frankreich mobilisiert. Um 5 Uhr nachmittags hat Frank¬ reich die volle Mobilisierung ange¬ ordnet. 2. August. Der kleine Kreuzer „Augsburg“ bom¬ bardiert den Kriegshofen Libau. Eine Grenzverletzung durch die Fran¬ zosen beim Schluchtpaß wird festgestellt. Einberufungdes deutschen Reichs¬ tages für den 4. August. Die französische Kammer tritt am 4. August zusammen. 3. August. Kriegserklärung Deutschlands an Frank¬ reich. Bisher hatten deutsche Truppen, dem ekteilten Befehl gemäß, die franzö¬ sische Grenze nicht überschritten. Da¬ gegen greifen seit gestern französische Truppen ohne Kriegserklärung unsere Grenzposten an. Sie haben, obwohl uns die französische Regierung noch vor wenigen Tagen die Innehaltung einer unbesetzten Zone von zehn Kilometern angekündigt hatte, an verschiedenen Punkten die französische Grenze über¬ chritten. Französische Kompagnien hal¬ ten seit gestern nacht deutsche Ortschaf¬ ten besetzt. Bombenwerfende Flieger kommen seit gestern abend nach Ba¬ den, Bayern und unter Verletzung der belgischen Neutralität über belgisches Ge¬ ver¬ biet in die Rheinprovinz und zu zerstören. uchen unsere Bahnen Frankreich hat damit den Angriff= ge¬ gen uns eröffnet und den Kriegszu¬ tand hergestellt. Des Reiches Sicher¬ heit zwingt uns zur Gegenwehr. Der Kaiser hat die erforderlichen Befehle erteilt. Der deutsche Botschafter in Pa¬ is ist angewiesen, seine Pässe zu for¬ dern. Deutsche Truppen haben Czenstochau und Kalisch besetzt. 4. August. Der große Tag der deutschen Nation. Um 1 Uhr mittag eröffnete im kö¬ niglichen Schlosse der Kaiser die außer¬ ordentliche Session des Reichstages. Er erscheint, wie es die Stunde verlangt, als Soldatenkaiser: in Felduniform mit braunen Stulpenstiéfeln. In militäri¬ schem Tone verliest er die Thronrede. Die Schlußsätze ruft der Kaiser mit 19 177 hallender Stimme: „In aufgedrunge¬ ner Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. An die Völker und Stämme des Deut¬ chen Reiches geht mein Ruf, mit ge¬ amter Kraft, in brüderlichem Zusam¬ menstehen mit unseren Bundesgenossen zu verteidigen, was wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Beispiel unserer Väter fest und ge¬ treu, ernst und ritterlich, demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken und zu gutem Ende lenken wolle! Ich kenne keine Partei mehr, ich kenne nur Deut¬ sche, und zum Zeichen dessen, daß Sie fest 105 ohne Partei¬ entschlossen sind, unterschiede, ohne Standes= und Kon¬ essionsunterschiede zusammenzuhalten, mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir Der dies in die Hand zu geloben.“ Er¬ Kaiser streckte seine Rechte aus. griffen von der Weihe des Augen¬ blickes treten die Führer aller Par¬ teien (mit Ausnahme der nicht anwe¬ senden Sozialdemokraten) vorund reichen ihm ohne tiefe Hofverbeugung die Hand. Um 3 Uhr nachmittags trat der Reichstag zu seiner Kriegssitzung zu¬ ammen. Der Reichskanzler ergreift das Wort: „Ein gewaltiges Schicksal bricht über Europa herein. Seitdem wir uns das Deutsche Reich und sein Ansehen in der Welt erkämpften, haben wir 44 Jahre lang in Frieden gelebt und den Frieden Europas beschirmt. Wir woll¬ ten in friedlicher Arbeit weiterleben und wie ein unausgesprochenes Gelübde ging es vom Kaiser bis zum jüngsten Soldaten: Nur zur Verteidigung einer gerechten Sache soll unser Schwert aus der Scheide fliegen. (Lebhafter Bei¬ fall auf allen Seiten des Hauses.) Der Tag, da wir es ziehen müssen, ge¬ ist erschienen, gegen unseren Willen, Ru߬ gen unser redliches Bemühen. land hat die Brandfackel an das Haus (Allseitige stürmische Zustim¬ gelegt. Wir stehen in einem gezwun¬ mung. genen Kriege mit Rußland und Frank¬ reich. Rußland beteuert uns in feier¬ lichster Weise seinen Friedenswunsch und daß es keinerlei militärische Vorberei¬ In¬ tungen gegen uns treffen werde. zwischen sucht England zwischen Wien und Petersburg zu vermitteln, was wir Der Kaiser über¬ warm unterstützen. nimmt die Vermittlerrolle. Aber kaum

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