Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

gen Personen, die an diesem Abend am Franz Josefs=Bahnhof Zeugen der Ankunft der unglücklichen Doppelwaisen, der Kinder des Erzherzogs Franz Fer¬ dinand und seiner Gemahlin, der Her¬ zogin von Hohenberg waren, wird die¬ ser traurige Augenblick fürs Leben im die Gedächtnis bleiben. Das war die schwerste und schmerzlichste Fahrt, diese jungen Fürstenkinder jemals nach Wien gemacht haben — zu den toten Eltern, die still und stumm in den Särgen ruhten und diesmal nicht mehr kommen konnten, ihre Liebsten auf Er¬ den zu begrüßen. Im inneren Burghof lenkten die Wa¬ gen durch die rechtsseitige Tordurch¬ fahrt zum Schweizerhof ein, von dem die Stufen zur Hofburgkapelle hinauf¬ führen. Dort verließen die Erzherzog¬ innen, die Kinder, und die nächsten Anverwandten die Wagen und begaben sich in die Kapelle, wo das traurige, herzzereißende Wiedersehen der unglück¬ lichen Waisen mit ihren toten Eltern stattfand. In den Abendstunden hatten viele Vereine mit umflorten Bannern auf der Straße, die der Trauerzug zurück¬ legen sollte, Aufstellung genommen. Es war 10 Uhr abends. In der Hofburg hatte sich im Schweizerhofe der Trauer¬ zug schon rangiert. Um genau 10 Uhr trat Hof= u. Bargpfarrer Dr. Seydl in die Hofburgpfarrkirche und segnete die Leichen nochmals ein. Dann traten Un¬ teroffiziere zum Sarge des Erzherzogs, Kammerdiener und Leiblakaien zum Sarge der Herzogin. Die Särge wur¬ den gehoben und in den Schweizerhof hinabgetragen. Zwei Hofkommissäre, ein Kapellengehilfe mit dem Kreuze und die Hofkapellendiener mit dem Inzen¬ zum und Aspergile schritten der assi¬ stierenden Hofgeistlichkeit voran. Dann kam der Hof= und Burgpfarrer Prälat Dr. Seydl, dem ein Hofoberkommissär folgte. Zwei Arcieren= und zwei ung. Garden, vier Trabanten und vier Leib¬ gardereiter leisteten auf dem Wege über 165 die Botschafterstiege die Nebenbegleitung. An beiden Seiten gingen mit Wachs¬ windlichtern die 16 Edelknaben, die nachmittags bei der Einsegnung Dienst getan hatten. Den Särgen folgten der Erste Oberst¬ hofmeister Fürst Montenuovo und Ober¬ zeremonienmeister Graf Choloniewski, dann der Obersthofmeister des Erzher¬ zogs Freiherr v. Rumerskirch, die Dienst¬ kämmerer Graf Van der Straten und Dr. Freiherr v. Morsey, Flügeladju¬ tant Oberst Dr. Bardolff und die Käm¬ merer Rudolf Prinz Esterhazy und Paul Graf Czernin. Langsam bewegte sich der Zug in den Burghof hinab. Die Unteroffiziere und Kammerdiener und Leiblakaien stellten die Särge in die mit sechs Rappen bespannten Leichenfourgons, und nun setzte sich der Zug in Bewegung. Zwei Hofreitknechte mit Laternen eröffneten ihn; dann kam eine Halbeskadron Franz Ferdinand=Ulanen, die beim Erzherzog dann Karl=Monument abgesessen war, Hof¬ ein Hofeinspanier zu Pferde, ein kommissär in einem zweispännigen Hof¬ Prinz wagen mit den Kämmerern Esterhazy und Graf Czernin, ein zwei¬ ter Hofwagen mit Flügeladjutant Oberst Bardolff, ein dritter Hofwagen mit den Dienstkämmerern Graf Van der Straten und Dr. Freiherr v. Morsey. Vor den Särgen fuhr Obersthofmei¬ ter Freiherr v. Rumerskirch. Vor und hinter den Leichenfourgons ritten je zwei Hofreitknechte mit Laternen. Zu beiden Seiten der Särge schritten 12 Tra¬ bantenleibgarden mit Hellebarden, 12 Leibgardereiter mit gezogenem Seiten¬ gewehr mit ihren Chargen, 10 Unter¬ offiziere und beim Sarge der Herzogin 10 Leiblakaien, dann die mit der Auf¬ icht der Särge betrauten Personen. In zwei Hofwagen folgten das erzherzogliche und das herzogliche Kammerpersonal. Eine Halbeskadron Ulanen beschloß den Zug. Trommelwirbel ertönte, als der Zug vom Franzensplatz gegen den Helden¬

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