Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

Hüttenbrenner, Hofrechnungsrat Maresch und Dr. Fischer, sowie die Hofdame Gräfin Lanjus. Die Damen, die auf dem Perron standen, bargen beim An¬ blick der Särge weinend ihre Gesich¬ ter: Erzherzog Karl Franz Josef wurde von einer heftigen Bewegung ergrif¬ fen und schluchzte laut auf. Still und lautlos folgte der traurige Zug den beiden Särgen, die langsam nach dem Hofwartesalon des Kaisers getragen wurden. Dorten wurden die Särge auf Katafalken neben einander gebettet. Dr Seydl nahm die Einsegnung der Leichen vor. Dann wurden die Särge wie¬ der gehoben und der Zug bewegte sich langsam über die Treppe durch das Ve¬ stibül nach der schwarzdrapierten Ein¬ gangspforte der Hauptfront, vor dem sich der eigentliche Trauerzug zusam¬ mensetzte. Zwei Hofreitknechte eröffneten den Zug. Ihnen folgte die Halbeskadron Dann Erzherzog Ferdinand=Ulanen. kam ein Hofeinspanier zu Pferde. In einem zweispännigen Hofwagen folgte ein Hofoberkommissär, dann folgte ein Hofkommissär zu Pferde, Sodann fuh¬ ren vier zweispännige Hofwagen, in denen die Kämmerer Rudolf Prinz Graf Czernin, Esterhazy und Paul Flügeladjutant Oberst Dr. v. Bar¬ dolff und die Dienstkämmerer saßen Im vierten Wagen folgten der erste Obersthofmeister Fürst Montenuovo und Obersthofmeister Freiherr von Rumers¬ kirch. Vor dem Leichenwagen ritten zwei Hofreitknechte mit Laternen, dann ka¬ men die von sechs Rappen gezogenen Galaleichenwagen des Erzherzogs und der Herzogin von Hohenberg, beide von fünf Leiblakaien begleitet. Den beiden Leichenwagen entlang gingen rechts 12 Trabanten=Leibgarden mit Hellebarden und links 12 Leibgardereiter mit gezo¬ genem Säbel. Zwei Hofreitknechte rit¬ ten hinter den Särgen, denen zwei Hofwagen mit dem Kammerpersonal des Erzherzogs und dem der Herzogin von Hohenberg folgten. Eine Halbeskadron 163 Franz Ferdinand=Ulanen beschloß den Zug, zu dessen beiden Seiten die Giesl¬ Infanterie ein ambulantes Spalier bildete. Zu vielen Tausenden waren die Men¬ schen zusammengeströmt, um dem toten Thronfolger die letzte Ehre zu erwei¬ sen. Ueberall herrschte tiefe Stille und als die beiden Särge die Reihen pas¬ ierten, entblößten alle das Haupt. Der Zug nahm seinen Weg immer durch dichte Spaliere durch die Prinz Eugenstraße über den Schwarzenberg¬ platz auf die Ringstraße. Kurz vor 11 Uhr war der Trauer¬ zug vor dem äußeren Burgtor angelangt. Ueber den Heldenplatz zog der Kon¬ dukt zum Schweizerhof. Dort erwartete Eraf Cholo¬ Oberzeremonienmeister niewski die beiden Leichen. Der Hof¬ und Burgpfarrer Prälat Dr. Seydl seg¬ nete mit seiner Assistenz die Leichen auch hier ein. Nach der ersten Einseg¬ nung wurden die Särge in die Hof¬ und Burgpfarrkirche getragen. Erzherzog Karl Franz Josef war dem Sarg des Oheims in die Kirche gefolgt. Hier hatten sich schon vorher eingefunden die Gemahlin des Erzher¬ zogs Karl Erzherzogin Zita, die Stief¬ mutter des Erzherzogs Franz Ferdinand Erzherzogin Marie Therese und ihre Tochter, die Erzherzogin=Aebtissin Ma¬ ria Annunziata. Der Hof= und Burgpfarrer Doktor Seydl segnete die Leichen ein. Dann übergab Obersthofmeister Freiherr v. Rumerskirch den Sargschlüssel dem ersten Obersthofmeister Fürsten Montenuovo. Damit war die Zeremonie des Vor¬ abends geschlossen. Am 3. Juli war durch vier Stun¬ den am Vormittag dem Publikum der Zutritt zu der Hofburgkapelle gestat¬ tet. Die Botschafterstiege war mit schwarzen Tüchern behangen und mit Palmen und Blattpflanzen geschmückt. Den engen Raum der Kapelle beherrsch¬ ten, von zahllosen Lichtern umgeben, die beiden Särge. Ein mächtiges schwar¬ 18

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