Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

162 Die Abfahrt von Triest. Das Gebäude des Südbahnhofes war fast ganz mit schwarzen Tüchern ver¬ hangen. Als die Leichenwagen vor dem Haupttor des Bahnhofes angelangt wa¬ ren, wurden die beiden Särge von Ma¬ rineoffizieren gehoben und auf den Per¬ ron gebracht, wo bereits der Sonder¬ zug mit einem zu einer Kapelle ausge¬ schmückten Wagen stand. Vor dem Wa¬ gen nahm Bischof Dr. Pederzolli mit der Geistlichkeit Aufstellung. Dem Per¬ ron gegenüber hatte eine Ehrenkompag¬ nie des 4. bosnisch=herzegowinischen Re¬ giments Aufstellung genommen, welche die militärischen Ehrenbezeigungen lei¬ stete. Die Särge wurden in den Wagen gehoben und auf zwei Gerüste aufge¬ stellt. Bischof Dr. Pederzolli nahm abermals die Einsegnung der beiden Leichen vor, worauf die Verschluß türen des Waggons versiegelt wurden. Nachdem das Gefolge der beiden hohen Verblichenen im Zuge Platz ge¬ nommen hatte, setzte sich der Zug um dreiviertel 10 Uhr zur Fahrt nach Wien in Bewegung. In allen größeren Stationen, wo der Trauerzug hielt, hatten sich die Vertreter der staatlichen und autono¬ men Behörden, das Offizierskorps, Vertreter der Geistlichkeit, die Lehrer mit der Schuljugend, die Bewohner¬ schaft und zahlreiche Vereine eingefun¬ den. In allen Stationen und Halte¬ stellen, welche der Zug berührte, und auch längs der Bahnstrecke hatte sich die Bevölkerung in stummer Trauer ver¬ sammelt. Die Leichen trafen am 2. Juli nachts in Wien ein. Die mächtige Ankunftshalle des Wiener Südbahnhofes trug Trauer¬ schmuck. Eine Ehrenkompagnie des In¬ fanterieregiments Nr. 82 mit Fahne und Musik marschierte auf den Per¬ ron. Die Truppen waren in Parade die mit Feldzeichen von Eichenlaub, Regimentsfahne umflort, die Trom¬ meln mit schwarzem Tuch umzogen. Vor dem Südbahnhof hatten zwei Kompag¬ nien des 16. Infanterieregiments und eine Eskadron des Ulanen=Regiments Erzherzog Franz Ferdinand Nr. 7 Auf¬ stellung genommen. Die Warasdiner Infanterie formierte sich, als die bei¬ den Leichenfourgons kamen, zu einem Spalier. Am linken Flügel der Ehrenkom¬ pagnie auf dem Perron nahmen u. a. Aufstellung Korpskommandant G. d. J. Schemua, Stadtkommandant Wikullil, der Kriegsminister F3M. Ritter von der Krobatin, die Armeeinspektoren, Minister für Landesverteidigung G. d. J. Freiherr von Georgi, der Chef des Generalstabes G. d. J. Freiherr Con¬ rad v. Hötzendorf und viele andere Generale waren bei der Kompagnie versammelt. Im Bahnhofe hatten sich noch eingefunden: Prinz Elias v. Bour¬ bon=Parma, ObersthofmeisterFürst Montenuovo, Fürst und Fürstin Wei¬ kersheim, Graf und Gräfin Chotek, der Stellvertreter des Marinekomman¬ danten Kaiser von Kaltenfels. Kurz vor dreiviertel 10 Uhr er¬ schien Erzherzog Karl Franz Josef mit seinem Kammervorsteher. Langsam, feierlich rollte der Zug in die Halle. Lautlose Stille, alles entblößte die Häupter. Das Kommando „Habt acht!“ erschallte, gedämpfter Trommelschlag er¬ tönte, die Fahne der Ehrenkompag¬ senkte sich, Hörner schmettern den Ge¬ neralmarsch. Vor dem dritten Wagen, der die Särge barg, bildeten die ro¬ ten Röcke und weißen Federbüsche der Leibgardisten eine langgedehnte Kette, Unteroffiziere hoben den Sarg des Thronfolgers, zehn livrierte Hofdiener den der Herzogin aus dem Waggon. Indessen hatte auch das Gefolge die Wagenabteile verlassen. Mit dem Zuge waren gekommen: Obersthofmeister Frh. von Rumerskirch, der Chef der Militär¬ kanzlei Flügeladjutant Oberst Dr. Bar¬ dolff, von der Militärkanzlei des Thronfolgers Major Paul Höger, Kor vettenkapitän Ottokar Uhlir und Malor

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